Diskussion über Windräder: Der Himmel blinkt

Ein Kampf gegen die Windräder? Wir waren in Albersdorf, um zu fragen: Welche Probleme haben die Bürger*innen mit der Windkraft?

Macht Ärger: Nicht das Gewitter, sondern der Windkraftpark Bild: dpa

von ANN-KATHRIN LIEDTKE

Lärm, Schlagschatten, Lichtverschmutzung: das verknüpfen viele – speziell vermutlich die Schleswig-Holsteiner im windigen Norden – mit dem Wort Windkraft. Der Kreis Dithmarschen jedoch ist von den Folgen der Energiewende besonders betroffen. In der Region gilt er als Windkraftanlagen-Spitzenreiter.

Bereits Anfang März war taz.meinland im hohen Norden, um zu fragen, wo vor Ort die Probleme liegen. Diskutiert wurde der Ausbau der Deiche in Husum, wie offen die Grenzregion Flensburg ist und schließlich, ob das Dorf Dersau tatsächlich stirbt.

Doch immer wieder wurde deutlich: gerade das Thema Windkraft ist in Schleswig-Holstein ein kontroverses Thema. Zwischen der Nord- und Ostsee stehen mittlerweile rund 3.100 Windräder, bis 2025 sollen es 3.600 werden. Grund genug für die taz, vor Ort nachzufragen. Am 29. März fanden sich daher rund 90 Teilnehmer*innen in der Halle 22 ein - einer ehemaligen Kaserne in Albersdorf - um ihre Fragen an die Politik, Verantwortliche oder auch ihre eignen Nachbar*innen zu stellen.

Die roten Lichter

Neben Eike Ziehe von der Bürgerinitiative Netzwerk Dithmarschen (BIND-SH), welche die taz in die 3.400-EinwohnerInnen-Gemeinde einlud, kamen außerdem: Erk Ulich, Fachdienst Bau, Naturschutz und Regionalentwicklung, Norbert Pralow, BUND Dithmarschen, Detlef Matthiessen, Landtagsfraktion (Die Grünen), Patrick Breyer (Piratenpartei), Dr. Kuno Veit, Facharzt für Allgemeinmedizin, Ulrich Schmück (FDP) Direktkandidat im Landtagswahlkreis Dithmarschen, Helge Haalck, Geschäftsführer Dithmarschen Tourismus e.V., Johannes Grützner, Leiter der Abteilung Energie, Klima- und Ressourcenschutz im Ministerium für Energiewende, Klaus Kramer, Vertriebsleiter von ARGE Netz, und Marcus F. Hrach, Bundesverband WindEnergie.

Fest steht: Schleswig-Holstein hat Potential. Der Wind weht viel und stark im Norden, Wald gibt es kaum. Ein Grund, warum das Bundesland zum Vorreiter in der Energiewende werden soll. Doch für die Menschen vor Ort sieht die Umsetzung dieser oft nicht so leicht aus.

„Auf etwa 500 Einwohner kommen 90 Anlagen.“

„Ich komme selbst aus Hemme“, erzählt Ulrich Schmück (FDP). „Viele hier kennen das Dorf bestimmt. Es hat die höchste Dichte von Windkraftanlagen in ganz Schleswig-Holstein. Auf etwa 500 Einwohner kommen 90 Anlagen. Ich weiß also genau, wo die Probleme liegen.“ Ein Mann aus dem Kreis Dithmarschen meint: „Ich wohne hier auch in einem Dorf. Die Windkraftanlagen stören mich allerdings weniger. Was mich stört ist der Trecker, der um zwei Uhr nachts Gülle fährt und die roten Lichter der Mühlen.“ Doch wenn er aus dem Fenster sehe wüsste er immerhin, woher der Wind weht.

Dezibelgrenzen ohne Wert

Die roten Lichter scheinen für viele Menschen hier ein besonderes Problem zu sein. Um Flugzeuge zu warnen, blinken sie die ganze Nacht. Das schreibt das internationale Flugsicherheitsrecht für Windkraftanlagen vor, die höher als 100 Meter sind.

Zumindest für die Lichter soll es früher oder später eine einheitliche Regelung geben: ein nächtliches Abschalten. Die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit aber bleiben, das bestätigt auch Dr. Kuno Veit, Allgemeinmediziner in Dithmarschen. „Dass Lärm gesundheitsschädigend ist, weiß man“, erklärt er. „Die Windkraftanlagen laufen auch nachts mit über 40 dB. Das kann auf Dauer zu Bluthochdruck, Depressionen oder Kopfschmerzen führen.“ Er stützt sich mit seiner Aussage auf eine Studie von 2011 aus Dänemark und der Schweiz. „Die Dezibelgrenzen werden in ganz Schleswig-Holstein nicht eingehalten“, behauptet er.

Doch nicht jeder hier ist gegen die Mühlen. „Windkraft ist eine Chance“, sagt ein Mann aus dem Publikum. „Unserem Dorf wurde der Tod prophezeit. Durch die Windkraft konnten wir vieles wieder aufbauen. Das ist auch eine Chance gegen den Seehofer zum Beispiel – der hat im Süden keinen Wind.“ Zustimmendes Gelächter im Publikum. Die Energie, so scheinbar der Konsens, solle in Schleswig-Holstein bleiben – Hamburg könne vielleicht noch mitversorgt werden, aber die Stromtrassen bis in den Süden Deutschlands auszubauen, sehen viele hier nicht ein.

Bürger*innenbeteiligung? Mangelware

„Hinter meinem Haus stehen 22 Anlagen“, erregt sich ein Mann. „Meine Ferienwohnung steht leer. Das Haus werden wir niemals wieder verkaufen können.“ Der Lärm ziehe nicht unbedingt Urlauber an. Und je mehr Anlagen in der Nähe gebaut würden, desto niedriger sei auch der Grundstückspreis.

„Ich als Bürger muss doch das Recht haben, meine Umgebung mitzugestalten.“

Das größte Problem mit der Windenergie im Norden scheinen die Bürger*innen jedoch damit zu haben, dass sie kaum Möglichkeit bekommen mit entscheiden zu können. Die meisten Genehmigungen der Windkraftanlagen würden ohne Bürger*innenbeteiligung verteilt. Patrick Breyer (Piraten) meint: „Ich als Bürger muss doch das Recht haben, meine Umgebung mit zu gestalten.“ Beifall aus dem Publikum. Ein positives Beispiel sei Nordfriesland. Hier wurde gemeinsam mit den Anwohner*innen über den Ausbau entschieden.

Anfang Dezember 2016 stellte die Landesregierung ihre neuen Regionalpläne für den Ausbau der Windenergie vor. In 354 ausgewiesenen, sogenannten Vorrangebieten sollen zukünftig Anlagen stehen. Bis Ende Juni 2017 können die Bürger*innen nun Einwände zu den Plänen erheben. Die Einwände sollen anschließend ausgewertet und in einem neuen Entwurf eingebunden werden. Der Kritik einer zu geringen Möglichkeit der Bürger*innenbeteiligung scheint man somit zumindest ein Schritt entgegengekommen zu sein.

Stolz auf Windmühlen

Die Befürworter entgegnen, dass eine Energiewende ohne Windenergie nicht zu bewerkstelligen sei. Sie schaffe zudem Arbeitsplätze und sowohl Windparkbetreiber als auch Landeigentümer verdienen an den Anlagen. „Bei Windenergie dreht es sich inzwischen doch fast nur noch um wirtschaftliche Interessen“, entgegnet Eike Ziehe. Ulrich Schmück meint: „Die Windmühler wollen Geld verdienen – und das ist auch gut so. Ich kann das sagen, ich bin ja schließlich von der FDP.“

„Ich bin stolz Windmühler zu sein“, ruft ein Mann in die Runde. „Ich bin für Windenergie. Ich habe selbst eine Anlage“, sagt ein anderer Veranstaltungsteilnehmer. „Wichtig ist doch aber heute: man diskutiert darüber.“ Detlef Matthiessen unterstützt: „Es ist gut, dass wir hier noch eine Diskussionskultur haben.“

Eine Frau aus dem Publikum steht auf und fasst zusammen: „Keiner hier ist tatsächlich gegen Windenergie. Wir sind nur dagegen, wie es hier passiert.“

Am Ende der Veranstaltung steht fest: die Diskussion in Albersdorf war zwar emotional, blieb jedoch sachlich. Beide Seiten waren froh darüber, miteinander geredet zu haben und nicht über- oder aneinander vorbei. Doch die Probleme mit der Windkraft sind unheimlich vielfältig und kleinteilig. Eine gemeinschaftliche Lösung zu finden bleibt schwierig und der Klimawandel ein gesamtgesellschaftliches Ziel – mit Kompromissen und eventuellen Rückschlägen.