Diskussion um Nutztierhaltung: Danke, Ethikrat!

Der Ethikrat hat sich zur Nutztierhaltung geäußert. Und stellt fest: Eine verantwortliche Nutztierhaltung gibt es derzeit in Deutschland nicht.

Kalb saugt an der Mutterkuh, eine dritte schaut in die Kamera

In Milchbetrieben undenkbar: Ein Kälbchen trinkt am Euter der Mutterkuh Foto: Petra Steuer/Joker/picture alliance

Nach langen Vorbereitungen hat der Deutsche Ethikrat eine Stellungnahme „zum verantwortlichen Umgang mit Nutztieren“ veröffentlicht, und der erste Eindruck ist enttäuschend: Über weite Strecken gibt das Papier exakt das wieder, was ohnehin jeder halbwegs gebildete und eloquente Mensch heute zu dem Thema sagt, ohne dass es für sein/ihr Konsumverhalten Auswirkungen hat, und was ohne praktische Folgen im Tierschutzgesetz steht. Da geht es um den Eigenwert des Tierlebens, um Respekt vor den Tieren und um das „Tierwohl“.

Zwar haben sich die Mitglieder des Rats eingehend mit verschiedenen tierethischen Positionen befasst. Doch man sei sich nicht einig ge­worden, heißt es, und so kommt es leider zu recht harmlosen Statements: Tiere seien nicht wie Menschen als Zweck an sich zu betrachten, und die kulturelle Bedeutung des Fleischessens falle auch ins Gewicht. Wie man also die allgemeine Tendenz dieser Stellungnahme bewertet, hängt vom politischen Temperament ab: Man kann sagen, das Glas sei leer. Mega-Optimisten hingegen finden: Der Boden ist feucht.

Doch dann gibt es in diesem 57-seitigen Papier fast gegen Ende diesen einen überraschenden, geradezu revolutionär anmutenden Absatz! Wir lesen dort, nicht vertretbar seien Hochleistungszucht, durch die die Tiere Schaden nähmen (das trifft auf fast alle heutigen Hühner-, Puten-, Milchkuh- und Schweinerassen zu), nicht artgerechte Lebensbedingungen (dito – übrigens auch im Biobereich) und die „Trennung von Mutter- und Jungtieren direkt nach der Geburt“ (essenziell für 99,9 Prozent der Milcherzeugung sowie für die Aufzucht von Küken).

Wenn wir diesen Absatz ernst nähmen, würde die Nutztierhaltung im Land komplett zusammenbrechen. Irreversibel. Denn weder Fleisch, Eier noch Milch könnten in relevantem Maßstab produziert werden, wenn die benannten Maßnahmen zur Effizienzsteigerung verboten würden.

Lieber Ethikrat, Danke für diesen einen unverblümten Absatz! Der nämlich bedeutet: Verantwortliche Nutztierhaltung gibt es nach derzeitigem Wissen nicht.

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Hilal Sezgin studierte Philosophie in Frankfurt am Main und arbeitete mehrere Jahre im Feuilleton der Frankfurter Rundschau. Seit 2007 lebt sie als freie Schriftstellerin und Journalistin in der Lüneburger Heide. Zuletzt von ihr in Buchform: „Nichtstun ist keine Lösung. Politische Verantwortung in Zeiten des Umbruchs.“ DuMont Buchverlag 2017.

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