Diskussion um Rassismus in den USA: „Sie hassen unser Land“

Im US-Repräsentantenhaus scheitert ein Antrag auf Amtsenthebung Donald Trumps wegen seiner rassistischen Äußerungen. Trump legt rhetorisch nach.

Mehrere weiße, blonde Frauen mit Handy in der Hand schauen begeistert in Richtung einer Bühne

Kann nichts erschüttern: Trump-Fans am Mittwoch in North Carolina Foto: rtr

BERLIN taz | Mit 332 zu 95 Stimmen hat das US-Repräsentantenhaus am Mittwoch den Antrag des demokratischen texanischen Abgeordneten Al Green abgelehnt, gegen US-Präsident Donald Trump ein Amtsenthebungsverfahren in die Wege zu leiten. Green hatte den Antrag mit Trumps rassistischen Ausfällen gegen vier nichtweiße Kongressabgeordnete begründet, die Trump auf Twitter aufgefordert hatte, in ihre vermeintlichen Heimatländer zurückzugehen. Drei der vier sind in den USA geboren, alle haben die US-Staatsbürgerschaft. Die Republikaner stimmten geschlossen gegen den Antrag, von den Demokraten stimmten 137 dagegen und nur 95 dafür.

Die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hatte genau eine solche Abstimmung eigentlich verhindern wollen – nicht zuletzt deshalb hatte sie bereits am Dienstag über eine Resolution abstimmen lassen, die Trumps Äußerungen als rassistisch brandmarkt und verurteilt. Der schlossen sich alle Demokraten und vier Republikaner an. Al Green genügte das allerdings nicht. „Die Resolution ist wunderbar, aber sie bestraft den Präsidenten nicht“, sagte er im Repräsentantenhaus.

Die Abstimmung erfolgte nur eine Woche, bevor der ehemalige Sonderermittler Robert Mueller im Kongress über seine Untersuchungen zur mutmaßlichen Verquickung von Trumps Wahlkampfteam mit russischen Stellen und der Behinderung der Justiz durch Trump aussagt.

Insbesondere zu Letzterem liefert der im März veröffentlichte Bericht handfeste Hinweise, die möglicherweise die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens (impeachment) begründen könnten. Denn dem Verfahren muss eine strafrechtsrelevante Verfehlung zugrunde legen – es braucht zwar politische Mehrheiten, um Erfolg zu haben, wird aber im Senat wie ein Gerichtsprozess geführt. Auch deshalb hatte Greens Antrag keine Chance – Trumps Äußerungen mögen gefährlich und verwerflich sein, verboten sind sie nicht.

„Send her back! Send her back!“

Trump selbst sah die Abstimmung als großen Erfolg für sich und geißelte den Antrag als überflüssig und respektlos. „Kein anderer US-Präsident sollte so etwas jemals wieder durchmachen müssen“, sagte er bei einer Wahlveranstaltung in North Carolina, wie schon zuvor über die Mueller-Ermittlungen. Von seinem aggressiven Ton gegen die vier linken Abgeordneten Ilhan Omar, Alexandria Ocasio-Cortez, Rashida Tlaib und Ayanna S. Pressley rückte er kein Jota ab, im Gegenteil. „Sie lieben unser Land nicht“, sagte Trump. „Ich glaube, einige von ihnen hassen unser Land. Wisst ihr was? Wenn sie es nicht lieben, sagt ihnen, dass sie gehen sollen.“

Und als Trump im besonderen auf die in Somalia geborene muslimische Abgeordnete Ilhan Omar einging, ertönten aus der Menge Sprechchöre „Send her back! Send her back!“ (Schickt sie zurück!)

In seiner Rede ging Trump kaum auf seine möglichen KonkurrentInnen um die Präsidentschaft ein. Stattdessen arbeitete er sich lang an den vier jungen Frauen ab, die wegen ihrer harten Kritik auch als „The Squad“ bekannt sind – als würden sie die gesamte Demokratische Partei repräsentieren. „Heute Abend erneuern wir unsere Entschlossenheit, dass Amerika niemals ein sozialistisches Land wird. Eine Stimme für irgendeinen Demokraten 2020 ist eine Stimme für den Aufstieg des radikalen Sozialismus und die Zerstörung des amerikanischen Traums, offen gesagt: die Zerstörung unseres Landes.“

Barack Obamas früherer Wahlkampfstratege David Axelrod hält Trumps Ausfälle für strategische Geniestreiche. „Ein Teil Trumps wilden Genies ist, dass er, selbst wenn er das nicht vollkommen zu Ende gedacht hat, durch sein empörendes Verhalten immer eine Antwort provoziert.“ Die Demokraten, meint Axelrod, sähen sich ein ums andere Mal gezwungen, die richtige Balance zwischen dem Vorbringen ihrer eigenen Gesetzesentwürfe und Politikvorschläge und dem schlichten Zurückweisen des jeweils neuesten Undings aus dem Weißen Haus zu finden.

Meist scheitern sie daran. Die Abstimmung über eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Dollar, die ebenfalls am Mittwoch im Repräsentantenhaus stattfand, erhielt nicht den Bruchteil der öffentlichen Aufmerksamkeit des Impeachment-Verfahrens.

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Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

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