Diskussion um bewaffnete Drohnen: Von der Leyens große Show

Die Verteidigungsministerin sagt, sie wolle Kampfdrohnen nur bei breiter Akzeptanz kaufen. Doch die Entscheidung scheint längst gefallen.

Kampfdrohne „Global Hawk“: Nur zur Aufklärung – oder auch für den Kampf? Bild: ap

BERLIN taz | Sie tragen Namen wie Heron, Luna oder Aladin, und sie sind in Deutschland als Kriegsgerät hoch umstritten: unbemannte Flugzeuge, auch als Drohnen bekannt. Noch in diesem Jahr soll Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen entscheiden, mit welchen Mitteln die Bundeswehr mittel- und langfristig ausgerüstet wird. Sprich: Soll die Regierung MALE-Drohnen kaufen oder nicht? Hinter der Abkürzung verbirgt sich ein ferngesteuertes Flugzeug, das in mittlerer Höhe mehr als 15 Stunden lang fliegen kann (Medium Altitude Long Endurance) und eine Flügelspannweite von über 15 Metern besitzt.

Bislang wurden Drohnen noch vor allem zur Aufklärung benutzt: Von ihren Kameras aus großer Höhe geschossene Bilder sendeten sie in die Einsatzzentralen der Luftwaffe. Doch jetzt entwickeln die Drohnen sich mehr und mehr zu Waffenplattformen – unbemannten Flugzeugen, die mit Bomben oder Boden-Luft-Raketen bestückt sind. Die Bundeswehr wünscht sich so eine Kampfdrohne und würde sich gerne langfristig an der Entwicklung eines europäischen Typs beteiligen.

Ob die Entscheidung für die Kampfdrohne fällt, darüber wird am heutigen Montag im Bundestag in Berlin diskutiert. Zur Anhörung des Verteidigungsausschusses sind neun Experten geladen – ein breites Spektrum, vom Befehlshaber des Einsatzführungskommandos bis hin zum Drohnengegner Christoph Marischka aus der linksalternativen Szene. Sie werden ihre Erklärungen vortragen und sich dann einem Kreuzverhör durch die Abgeordneten stellen. Bevor sich die Ministerin positioniert, wolle sie sich einer grundlegenden Akzeptanz in der Öffentlichkeit versichern, heißt es in Berlin.

Ursula von der Leyen weiß sehr gut, dass Drohnen in großen Teilen der deutschen Öffentlichkeit nicht populär sind. Die Bilder von zerstörten Familien und Häusern im Jemen und in Pakistan, die von US-Truppen beschossen wurden, sind noch gut in Erinnerung. Die USA nutzen auch in anderen Ländern Drohnen zur gezielten Tötung mutmaßlicher Terroristen, auch außerhalb eines Militäreinsatzes – und setzen sich damit über das Völkerrecht hinweg.

Ist die Entscheidung längst gefallen?

Nach Ansicht der Drohnenbefürworter liegt das Problem allerdings nicht an den unbemannten Flugzeugen selbst. Wenn die Bundeswehr bewaffnete Drohnen in Kriegsgebieten einsetzt, etwa in Afghanistan, dann sei das grundsätzlich legitim, weil es Teil der militärischen Kriegsführung ist. Voraussetzung: Es muss klar zwischen bewaffneten Gegnern und der Zivilbevölkerung unterschieden werden, und der Einsatz muss verhältnismäßig sein. Das räumt auch Marcel Dickow von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin ein, der am Montag gegen Kampfdrohnen argumentieren wird.

Die Bundesregierung beteuert immer wieder, dass sie Drohnen nicht so einsetzen will wie die USA. Doch das ändert nichts an den grundsätzlichen Fragen, die mit dieser Technik verbunden sind.

Während sich Befürworter und Gegner der bewaffneten Drohne am Montag über ethische Probleme ihres Einsatzes streiten, dürfte die Entscheidung allerdings schon längst gefallen sein: Laut dem Einzelplan 14 will das Verteidigungsministerium schon Ende dieses Jahres MALE-Drohnen zur Aufklärung kaufen.

Eine „entsprechende“ Vorlage sei geplant, sagte von der Leyen bereits Mitte Mai im Haushaltsausschuss. Dass es sich dabei nicht um ausschließlich für die Überwachung und Aufklärung geeignete Flieger handeln wird, wurde schnell klar: Für die Beschaffung neuer Drohnen sei auch „konzeptionell eine Bewaffnungsfähigkeit gefordert“, antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Partei Die Linke.

Allerdings sind nicht bewaffnungsfähige MALE-Drohnen wie Autos ohne Klimaanlage: Es gibt sie einfach nicht mehr.

„Fähigkeitslücke“ schließen

Kauft die Bundeswehr also bald Drohnen, unter deren Flügel Bomben hängen? Derzeit werden zwei Angebote geprüft, sagen Rüstungsexperten: Der Predator B des Herstellers General Atomics, der schon Anfang 2012 bei den USA angefragt wurde, ist zwar bewaffnungsfähig, wurde aber nach Angaben der Bundesregierung ohne Waffen angefragt und angeboten.

Auch beim zweiten Angebot, dem Heron TP der Firma Israel Aircraft Industries (IAI), ist eine Bewaffnung nicht schriftlich vereinbart, heißt es. Beim Heron TP wäre das Geschäft aber unkomplizierter, denn mit Israel arbeiten deutsche Soldaten bereits vertrauensvoll zusammen: Die Bundeswehr steuert in Afghanistan drei nicht bewaffnete MALE-Aufklärungsdrohnen des israelischen Rüstungsunternehmens.

Doch am 15. April 2015 laufen die Verträge aus. Und wenn die Bundeswehr noch bis 2016 in Afghanistan bleibt, will sie nicht auf die Aufklärungs- und Schutzfunktion verzichten. Zudem würde sie gerne eine „Fähigkeitslücke“, wie es heißt, schließen.

„Wenn unbewaffnete Drohnen eine Gefahr feststellen, dann können bis zu 20 Minuten vergehen, bis Kampfjets bei ihnen sind“, sagt der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter, ehemaliger Generalstabsoffizier der Bundeswehr. „Oft ist das die entscheidende Zeit.“ Deshalb wünscht er für die Bundeswehr Kampfdrohnen, die die Soldaten quasi als Scharfschützen in der Luft ständig begleiten – vor allem, wenn die Truppenstärke der Deutschen wie in Afghanistan auf 600 bis 800 Mann beschränkt werden soll.

In der SPD zeichnet sich kein klares Veto gegen bewaffnete Drohnen ab. Zwar hat Peer Steinbrück für die Sozialdemokraten im Wahlkampf noch gesagt, „dass die Bundesrepublik Deutschland keiner Drohnen bedarf.“ Aber kategorisch abgelehnt hat er nur die gezielte Tötung von Menschen durch Drohnen – und nicht die kampffähige Drohne zu Aufklärungszwecken.

Richtung Killerroboter

Die Linkspartei und die Grünen sind da klarer – und lehnen die Anschaffung von bewaffneten Drohnen grundsätzlich ab. Agnieszka Brugger, verteidigungspolitische Grünen-Sprecherin: „Langfristig wird das schneller, als wir denken, dazu führen, dass sich eine neue Form der Kriegsführung mit autonom handelnden Tötungsmaschinen entwickelt“, sagt sie.

Vor dem Szenario, dass sich Waffen immer mehr dahin gehend entwickeln, dass sie sich ihr Ziel selbst suchen und selbst schießen, warnen auch die Drohnenkritiker Niklas Schörnig und Marcel Dickow, die am Montag im Bundestag sprechen. Schörnig schreibt in seiner vorab verfassten Stellungnahme, dass bewaffnete Drohnen „den ersten Schritt auf eine schiefe Ebene bedeuten, der ohne politisches Gegensteuern fast zwangsläufig zu tödlichen autonomen Waffensystemen führt“. Noch gebe es keine autonom handelnden Waffen. Noch habe der Staat die Chance, diese Entwicklung zu unterbinden, schreibt Schörnig.

Fragt sich auch, wie verhindert werden soll, dass Despoten und Warlords aller Art rund um den Globus ebenfalls nachrüsten. Beginnt nun eine Rüstungsspirale, die ferngesteuerte, selbst tötende Maschinen produziert? Es ist wichtig, darüber zu diskutieren. Sollte allerdings die ethische Debatte über bewaffnete Drohnen am Montag in eine Diskussion über autonome Waffensysteme münden, dann würde sie um etwas kreisen, was es bislang noch nicht gibt.

Angesichts solcher Schreckensszenarien wirkt die bewaffnete Drohne eher wie eine recht harmlose Einstiegsdroge. So ist voraussehbar, dass die Anhörung im Verteidigungsausschuss kein klares Veto gegen die Anschaffung der Drohnen für die Bundeswehr bringen wird – und die Ministerin sich noch in dieser Woche für den Kauf ausspricht. Links-Politikerin Christine Buchholz sprach bereits am Wochenende von einer Scheindebatte.

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