Diskussion zu Bekenntnisschulen: Der Taufschein entscheidet

In Bonn ist ein Streit über Bekenntnisschulen entbrannt. Wie sehr, wurde auf der taz.meinland-Veranstaltung deutlich.

Was spricht für und gegen Bekenntnisschulen? Moderator Volkan Ağar fragt nach Bild: Burhan Yassin

von LAILA OUDRAY

„Jesus sagte: ‚Lasset die Kindlein zu mir kommen‘. Es ist heuchlerisch, dass gerade Schulen, die von sich sagen, dass sie christlich sind, bestimmte Kinder ausschließen.“ Hochemotional war der Abend in Bonn im Gremiensaal der „Deutschen Welle“, an dem etwa 45 Eltern, LehrerInnen und Interessierte über Bekenntnisschulen diskutierten.

Bekenntnisschulen sind konfessionsgebundene, staatliche Schulen. In Nordrhein-Westfalen sind diese Grundschulen – als einziges Bundesland – in der Verfassung verankert. Seit einem Urteil des Oberverfassungsgerichts in Münster ist zudem klar: Die Schulen dürfen Kinder der entsprechenden Konfession bei einer Anmeldung bevorzugen. Gerade diese Regelung sorgt für Streit – Streit, der sich auch an diesem Abend deutlich abzeichnete.

Auf dem Podium saßen Markus Goller, Vater und Befürworter von Bekenntnisschulen, Andrea Gersch vom katholischen Schulreferat, Franz Klein und Susanne Fuchs-Mwakideu, deren Kinder von einer Bekenntnisschule abgelehnt worden sind und Max Ehlers, Vertreter der Initiative „Kurze Beine-Kurze Wege“.

Selektion ist Diskriminierung

Schon als Moderator Volkan Ağar, taz.meinland-Redakteur, die ersten Fragen an das Podium stellte, wurde deutlich: Das Thema wühlt auf. Franz Klein fragte: „Wie soll ich meinem sechsjährigen Sohn erklären, dass er nicht auf die Schule gehen darf, auf die seine Freunde gehen? Das ist Diskriminierung.“ Auch Susanne Fuchs-Mwakideu kennt dieses Gefühl: ihre Tochter kann nicht auf die Grundschule in der Nachbarschaft gehen.

„Wie soll ich meinem sechsjährigen Sohn erklären, dass er nicht auf die Schule gehen darf, auf die seine Freunde gehen?"

Die Erfahrungsberichte berühren Andrea Gersch sichtlich. Sie hat Verständnis für die Enttäuschung der Eltern. Sie betonte allerdings, dass Bekenntnisschulen die Pluralität der Elternschaft abdecken würden. Markus Goller, der erst vor Kurzem für den Erhalt der Katholischen Grundschule in Buschdorf kämpfte, stimmt ihr zu. Ihm sei wichtig, dass sein Sohn einen Erfahrungsraum des christlichen Glaubens habe und „einen Ort, wo ein Lehrer zu seinem Bekenntnis stehen kann.“

Dagegen argumentierte Klein, dass ihm vorgeschlagen worden sei, seinen Sohn für die Aufnahme taufen zu lassen: „Das habe ich nicht gemacht. Ich habe zu viel Respekt vor der Religion. Mir sind aber zwei Fälle bekannt, wo Eltern ihre Kinder haben taufen lassen, um sie auf die Schule zu bekommen“. Verblüffung ist bei dieser Aussage auf den meisten Gesichtern abzulesen.

Gemeinschafts- statt Bekenntnisschule?

Das Problem verschärfte sich, als in NRW die Grundschulbezirke abgeschafft wurden. Kinder, die in der Nähe der Schule wohnten, wurden zugunsten konfessionszugehöriger Kinder abgelehnt – auch, wenn diese weiter weg wohnten. Max Ehlers erinnerte sich: „Da haben selbst konservative Politiker gesagt, dass das nicht ein darf.“

Unmittelbar nach der hitzigen Diskussion auf dem Panel, öffnete Ağar die Diskussion für das Publikum. Sofort reckten sich viele Hände in die Höhe. Immer mehr Menschen wollten erzählen, wie sie zum Thema stehen und welche Erfahrungen sie gemacht haben. „Christliche Werte und Tugenden werden auch auf einer Gemeinschaftsgrundschule gelehrt“, betonte eine Frau im Publikum in Hinblick auf die Aussage von Goller.

Max Ehlers zitierte zur Bestätigung aus der Landesverfassung, in der festgeschrieben stehe, „dass auf der Grundlage christlicher Bildungs- und Kulturwerte in Offenheit für die christlichen Bekenntnisse und für andere religiöse und weltanschauliche Überzeugungen“ gelehrt werden soll.

Goller entgegnete, dass es einen Unterschied zwischen „gelehrt“ und „gelebt“ gäbe und christliche Feste wie Sankt Martin auch bestehen bleiben, sollten sich Eltern beschweren. Klein erwiderte, dass ihm kein Fall bekannt ist, wo christliche Feiern abgeschafft worden sind. Er warf ihm energisch vor, dass dieser keine Ahnung hätte, wie es in einer Gemeinschaftsgrundschule tatsächlich aussehe.

Hitzige Diskussionen

Während der Diskussion riefen die Anwesenden immer öfter rein und empörten sich laut. Vor allem, wenn Andrea Gersch sprach, wurde es unruhig. Zwei Frauen in der ersten Reihe widersprachen ihren Äußerungen und sahen sich darin nicht allein: der Großteil des Publikums sprach sich eindeutig gegen Bekenntnisschulen aus.

„Ich hätte nichts dagegen, wenn diese Schulen von der Kirchensteuer finanziert werden würden.“

Vor allem die Tatsache, dass Bekenntnisschulen staatlich finanziert werden, sorgte für Unmut. „Ich hätte nichts dagegen, wenn diese Schulen von der Kirchensteuer finanziert werden würden“, meinte eine Frau im Publikum. Gersch hielt dagegen, dass in Deutschland ein solidarisches Steuerprinzip herrsche: „Ich zahle für die Oper, auch wenn ich sie nicht nutze.“

„Das ist kein Vergleich. Ich muss nicht in die Oper gehen, aber der Schulpflicht muss ich nachgehen“, entgegnete eine Frau aus dem Publikum.

Blick in die Zukunft

Der Abend sorgte allerdings nicht nur für Streit, sondern auch für die Entwicklung von Visionen – Überlegungen, wie man die Religionsausübung in den Schulalltag so integriert, dass beide Seiten zufrieden sind. Eine junge Frau erinnerte sich an ihre Grundschulzeit, in der es ihr offen stand, zum katholischen, evangelischen oder zum Ethikunterricht zu gehen. Sie habe sich immer wieder neu entscheiden können.

Einen besonderen Einblick in einen integrativen Schulalltag gewährte ein Mann aus Kenia. Er erzählte, wie er als Christ auf eine muslimische weiterführende Schule ging. Am Montag hätten alle ein christliches Gebet gefeiert, am Freitag beteten sie nach dem islamischen Ritus.

Diese Vorstellungen gaben diesem hitzigen Abend einen versöhnlichen Abschluss. Obwohl die Fronten verhärtet sind, konnten sich die meisten mit dem Konzept einer staatlichen Schule, die allen offen steht und in der alle Religionen ihren festen Platz haben, anfreunden. Viele verließen zwar aufgeregt, aber nicht wütend den Raum.