Doch kein Reichsbürger-Polizist entlassen: Verwirrt, aber nicht verstrickt

Auch in Berlin sind „Reichsbürger“ aktiv. Dass die Polizei einen Beamten wegen seiner Nähe zu dieser Szene entlassen habe, entpuppt sich jedoch als Falschmeldung

Einen Überblick über ihre Mitarbeiter hat die Berliner Polizei offenbar nicht immer. Foto: dpa

Verwirrung bei der Berliner Polizei: Am Montagmorgen hatten mehrere Medien berichtet, ein Beamter sei aufgrund seiner Nähe zur „Reichsbürger“-Bewegung entlassen worden. Gegenüber der taz bestätigte Polizeisprecher Thomas Neuendorf zunächst den Vorfall: Der Mann sei bereits Anfang 2015 aufgefallen, weil er privat an einer flüchtlingsfeindlichen Demonstration teilgenommen und dort ein Plakat mit rechtsextremem Inhalt getragen habe. Nach einem Disziplinarverfahren habe der Beamte die Polizei dann Anfang des Jahres verlassen müssen.

Diese Angaben Neuendorfs passten auf den Fall des in Rathenow lebenden Berliner Polizeibeamten Norman W., der im Januar 2015 an einer Demonstration eines Pegida-Ablegers in Brandenburg/Havel teilgenommen hatte, in der Hand ein Schild, dessen Inhalt auf die rechtsextreme Holocaust-Leugner-Organisation „Europäische Aktion“ verwies. Besonders interessant: W. war zu diesem Zeitpunkt auch Mitglied im Kreisvorstand der AfD Havelland.

Am Montagnachmittag korrigierte Neuendorf dann seine Aussage. Es habe eine interne Verwechslung gegeben: Zwar sei W. tatsächlich Anfang Januar vom Dienst suspendiert worden, das Disziplinarverfahren gegen ihn sei aber noch nicht abgeschlossen, und folglich habe es auch bisher keine Entlassung gegeben. Auch gebe es bisher keine Anhaltspunkte für eine Verstrickung W.s in die „Reichsbürger“-Szene. W.s Fall sei intern mit dem eines Polizisten verwechselt worden, gegen den tatsächlich ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden war, weil er den „Reichsbürgern“ nahegestanden habe. Dieser Fall liege aber sieben oder acht Jahre zurück, die zugehörigen Akten seien bereits vernichtet, und deswegen könne keine Aussage mehr dazu gemacht werden, ob damals eine Entlassung stattgefunden habe.

Der Verfassungsschutz spricht von rund 100 in Berlin aktiven „Reichsbürgern“, also Menschen, die bestimmte geschichtsrevisionistische und rechtsextreme Positionen vertreten und etwa behaupten, das Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Laut Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) handelt es sich um eine „vielfältige und zersplitterte Szene“, deren tatsächliche Größe schwer einzuschätzen sei. In der Beratungsarbeit beobachte sie aber seit einigen Jahren, dass immer mehr Menschen davon berichten, in ihrem Bekanntenkreis auf zumindest Versatzstücke dieser Überzeugungen zu stoßen. „Für Menschen, die einfache Antworten auf komplexe Fragen suchen, kann diese Ideologie anschlussfähig erscheinen“, sagt Klose.

2012 hatte die Polizei auf dem Grundstück eines „Reichsbürgers“ in Neukölln große Mengen Pyrotechnik und Chemikalien sichergestellt. Im selben Jahr hatten insbesondere MigrantInnen in Berlin massenhaft Drohbriefe der „Reichsbürger“-Bewegung erhalten. Auf der Straße ist die Bewegung besonders bei Bärgida aktiv, außerdem betreiben sie eine Dauermahnwache vor dem Bundestag. Nachdem in der vergangenen Woche ein SEK-Polizist in Bayern bei einer Razzia von einem „Reichsbürger“ getötet worden war, ist die Bewegung bundesweit in den Fokus geraten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.