Streik in Dönerfabrik: Einmal alles mit Tarifvertrag, bitte
Beschäftigte der Dönerspießfabrik Birtat in Murr protestieren mit der Gewerkschaft NGG für den ersten Tarifvertrag der Branche. Die Chefs stellen sich quer.

Birtat Meat World SE ist einer der größten Dönerspießhersteller Deutschlands. Der Standort in Murr ist der Hauptsitz der Firma. Die Fabrik gibt es seit 1998, laut Website versorgt sie monatlich tausende Dönerläden in ganz Europa. Seit anderthalb Jahren ist die gewerkschaftliche Organisierung in vollem Gange.
Mitarbeiter Izzet Al arbeitet schon seit 25 Jahren bei Birtat. 2023 war er einer der ersten, die sich mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) organisierten. „Wir wollen Gerechtigkeit und den gleichen Lohn“, sagte er der taz. Mittlerweile sind über 100 Birtat-Mitarbeiter:innen der NGG beigetreten, berichtet er stolz. Al ist voller Hoffnung: „Wir kämpfen bis zum Schluss“, sagt er. Sie wollten niemandem schaden, aber brauchen den Tarifvertrag und faire Löhne: „Der Döner ist immer teurer geworden, doch unser Lohn bleibt der gleiche.“
Im September 2024 wurde der Betriebsrat ins Leben gerufen. Von den 127 Beschäftigten nahmen 114 an der Betriebsratswahl teil. Muzayfe Doganer ist einer der Vorsitzenden. „Die Leute stehen hinter uns“, sagt er. Doganer erzählt, die Chefs würden regelmäßig versuchen, Mitarbeiter:innen einzuschüchtern, auch ihm sei wegen seines Engagements gedroht worden – unter anderem mit Anrufen bei seiner Frau, er sagt: „Es ist eine große Tragödie. Wir hatten einen Monat Stress und haben nicht geschlafen.“
Unternehmen lehnt Tarifvertrag kategorisch ab
Im März war die erste Tarifverhandlung mit der Birtat-Leitung. NGG-Verhandlungsführerin Magdalena Krüger berichtet, dass sie dem Arbeitgeber anfangs ein Tarifvertragspaket mit einem klaren Entgeltrahmen vorgelegt hatten. Bei der vierten Tarifverhandlung habe Birtat aber klar gemacht, dass sie die Einführung eines Tarifvertrags kategorisch ablehnen. Seitdem liegen die Verhandlungen auf Eis. Birtat würde lieber intern mit dem Betriebsrat verhandeln, weil sie bei der NGG „immer das Risiko des Streiks im Nacken haben“, so Krüger.
Konkret fordert die NGG nun eine eindeutige tarifliche Regelung und eine pauschale Lohnerhöhung um 375 Euro monatlich. Außerdem will sie ein Einstiegsgehalt von 3.000 Euro brutto. Bisher sei die Bezahlung willkürlich und von individuellem Verhandlungsgeschick abhängig gewesen. Und das dürfe nicht sein: „Die Beschäftigten brauchen dringend Entlastung“, so Krüger.
Bei Birtat gibt es viele internationale Mitarbeiter:innen, die auch in der Gewerkschaft vertreten sind. Bei den Streiks wird alles übersetzt, es sind mehrere Sprachen vertreten: Deutsch, Türkisch, Rumänisch, Bulgarisch und Kurdisch. Gewerkschaftsaufbau sei schon für Muttersprachler:innen schwer genug, so Krüger, umso beeindruckender findet sie den Aufbau bei Birtat, der trotz Sprachbarrieren gut funktioniere – „das ist für mich etwas Besonderes, so geeint ans Ziel zu kommen, mit dieser Kraft.“
Und diese Kraft brauchen die Streikenden. Laut NGG sind nach dem Streik vergangene Woche einige rumänische Mitarbeiter:innen in ihrer firmengestellten Unterkunft von der Geschäftsführung massiv bedrängt worden. Als Krüger und ihre Kolleg:innen daraufhin vorbeikamen, habe die Leitung getan, als würde sie bloß das Haus kontrollieren. Eine taz-Anfrage an die Birtat-Geschäftsleitung dazu blieb unbeantwortet.
Nach dem Streik am Mittwoch gab es eine Urabstimmung, in der gefragt wurde, ob der Arbeitgeber weiter bestreikt werden soll, das Ergebnis aber steht noch aus. Doganer vom Betriebsrat will wie viele andere auf jeden Fall weitermachen: „Wir haben keine Angst davor. Wir stehen zusammen und bleiben stark!“
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