Doku über Glaubwürdigkeit von Politikern: Die verdrehte Wahrheit

Autor Stephan Lamby gräbt sich tief in die Archive. Er geht in sechs Kapiteln dem Wesen und Wirken der politischen Lüge auf den Grund.

Konnte schlecht mit der Wahrheit umgehen: Ex-Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg. Bild: dpa

Erinnern hilft mitunter beim Entscheiden. Ob die Bürgerinnen und Bürger am 22. September wählen gehen, hängt auch davon ab, wie sie die parlamentarische Demokratie erleben und erlebt haben. Der Autor Stephan Lamby hat zu der Frage, wie glaubhaft Politik eigentlich ist, eine 45-minütige ARD-Doku gedreht. „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort“ heißt sie. Lamby gräbt dabei für die Zuschauer sehr tief in den Archiven.

In sechs Kapiteln geht er dem Wesen und Wirken der politischen Lüge auf den Grund. Unter der Überschrift „Wahlkampflügen“ erinnert er an Bundeskanzler Helmut Kohls Versprechen von 1990, die deutsche Wiedervereinigung sei ohne Steuererhöhungen zu finanzieren, um in der nächsten Szene die Bundestagsabstimmung über genau diese Steuererhöhung zu zeigen. Auch das Versprechen der SPD 2005, die Mehrwertsteuer – anders als von Angela Merkel angekündigt – nicht zu erhöhen, wurde von ihr bekanntlich in der großen Koalition gebrochen.

Das Kapitel „Spenden-Lügen“ hätte eigentlich den Titel „Freche Lügen“ verdient. Noch einmal sehen wir, wie Helmut Kohl völlig im Reinen mit sich erklärt, er werde die Namen der illegalen Parteispender nicht nennen, das habe er ihnen versprochen. Die Lügenklassiker werden unter der Überschrift „Krisenmanagement“ wiederaufgeführt: Uwe Barschels „Ehrenwort“, Karl Theodor zu Guttenbergs Plagiatsschwindel sowie Christian Wulffs Forderung nach „Menschenrechten, selbst für Bundespräsidenten“.

„Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort“: Montag, 22.45 Uhr, ARD.

Zwischen den Szenen und Kapiteln kommen einstige und aktuelle Abgeordnete aller fünf Bundestagsfraktionen zu Wort. SPD-Frau Brigitte Zypries, Sahra Wagenknecht von der Linken, der einstige FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt, der Grüne Christian Ströbele sowie der alte CDU-Kämpe Heiner Geißler geben Bedenkenswertes zu Protokoll. Die Erfahrung, dass Wähler unangenehme Wahrheiten postwendend mit schlechten Ergebnissen honorieren, teilen sie alle. Gleichwohl hätten die Bürger ein Recht auf Wahrheit.

Wenn dies nicht gewährleistet sei, sagt Christian Ströbele, „funktioniert die parlamentarische Demokratie nicht“. An dieser Stelle – der moralphilosophischen Erörterung von Wahrheit und Lüge – hätte man sich andere Kronzeugen gewünscht. Die Wahlmüdigkeit, das Desinteresse an politischen Entscheidungen von Kostgängern des Politikgeschäfts erklärt zu bekommen, wirkt mau.

Wo es richtig weh tut

In den drei letzten Kapiteln über „Notlügen“, „Aufgedeckte Lügen“ und „Das taktische Verhältnis zur Wahrheit“ hat Lamby wunderbar zusammengeschnitten, wie das Geschäft mit der Wahrheit funktioniert. Die Erklärung von Kanzlerin Merkel und ihrem Finanzminister Peer Steinbrück im Jahr 2008, die Spareinlagen seien „sicher“, war ein regierungsamtlich verabreichtes Valium.

Gerade in diesem Wahlkampf erinnern viele diese offensichtliche Lüge erstaunlicherweise als eine Sternstunde der großen Koalition. Und richtig weh tut es, wenn noch einmal die dramatischen Umstände gezeigt werden, unter denen 2001 die rot-grüne Bundesregierung über den Afghanistaneinsatz abstimmen ließ und Gerhard Schröder dies mit der Vertrauensfrage verband.

Ganz zum Schluss fragt Lamby seine fünf Abgeordneten ganz direkt: Haben Sie als Politiker schon mal gelogen? Vier sagen Nein, einer sagt, dass er das nicht ausschließen könne. Wer so wahrhaftig ist? Einschalten!

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