Doku über georgische Journalistin: Die Frau mit der Handkamera

Filmemacherin Salomé Jashi begleitet eine georgische Kleinstadtreporterin: „Jikha TV – Nachrichten aus der georgischen Provinz“.

Menschen sitzen um ein Podest herum. Kameras sind aufgebaut

Dariko Beria (r.) moderiert im Lokalsender „Jikha TV“ Diskussionsrunden, berichtet von Schönheitswettberwerben und liest Traueranzeigen vor Foto: arte

Dariko Beria ist die einzige Journalistin eines lokalen TV-Senders in der georgischen Kleinstadt Tsalenjikha. Sie rückt aus, wenn jemand anruft, dem eine „Riesen-Eule“ zugeflogen ist. Sie moderiert vor der Regionalwahl eine Diskussion mit Politikern, die nicht viel Vertrauen erwecken. Sie präsentiert die gesprochenen Todesanzeigen für Bürger der Stadt, die Angehörige für 50 Lari (rund 21 Euro) pro Wort beim Sender buchen können. Sogar die Musik für die Nachrufe wählt sie aus.

Dariko Beria ist die Protagonistin des Dokumentarfilms „Jikha TV – Nachrichten aus der georgischen Provinz“, der heute abend auf Arte gezeigt wird. Filmemacherin Salomé Jashi gibt darin einen Einblick in eine Medienlandschaft, von der hierzulande so gut wie nichts bekannt ist.

Im Alltag von Tsalenjikha passiert wenig Berichtenswertes, über einen Schönheitswettbewerb oder eine Modenschau kann Beria schon froh sein. Immerhin muss sie sich nicht an Regeln halten, die in der nächstgelegenen Großstadt gelten dürften. Bei einer Gemeinderatssitzung steht Beria ungefähr einen Meter vor dem Rednerpult und hält dem Vortragenden ihre Handkamera praktisch direkt vor die Nase. Der Lokalpolitiker lässt sich dadurch aber nicht stören. In einer anderen Sequenz filmt Beria offenbar die polizeiliche Befragung eines Selbstmord-Zeugen und mischt sich sogar ein in das Gespräch. „Die Schweinegrippe greift die Psyche an“, sagt der Zeuge, es soll wohl eine Erklärung sein für die Tat.

„Jikha TV“ strahlt den Charme früher Offener-Kanal-Sendungen aus – was auch mit finanziellen Schwierigkeiten zu tun hat. Die wirken angesichts der ärmlichen Verhältnisse in der Stadt aber eher wie Luxusprobleme. In einer Sequenz ist zu sehen, wie Bewohner sich bei einem Behördenvertreter darüber beklagen, dass die Trinkwasserversorgung nicht funktioniert. In Tsalenjikha ist die Situation noch längst nicht so, wie man es sich möglicherweise versprochen hat, nach dem Ende der Sowjetunion.

Atmosphärische Dokumentation

Die Regisseurin verzichtet auf Off-Text und andere Erläuterungen – das ist grundsätzlich lobenswert, und dennoch ertappt man sich hier als Zuschauer bei manchen Bildern dabei, sich die eine oder andere Information zu wünschen, die sich aus dem Gesehenen nicht erschließt. Das ist nicht als Kritik zu verstehen, sondern als Lob – Jashi gelingt es, den Zuschauer dazu zu bringen, die eigenen Sehgewohnheiten in Frage zu stellen.

„Jikha TV – Nachrichten aus der georgischen Provinz“ ist ein Film über Journalismus, aber mit den Mitteln des künstlerischen Dokumentarfilms. Der Regisseurin geht es weniger um Informationen und Reflektionen, sie will vor allem Atmosphäre vermitteln – mit Hilfe von Bildern aus Tsalenjikha, aus der Natur, aus Theatern und Kirchen und nicht zuletzt von singenden Menschen. Der internationale Titel von Jashis Film, „The dazzling light of sunset“, wird der Intention der Regisseurin eher gerecht als der etwas beamtenhafte, den sich Arte ausgedacht hat.

„Jikha TV – Nachrichten aus der georgischen Provinz“, Montag, 27. Juni, 23.40 Uhr, Arte

Es gibt zwei Szenen, in denen die Regisseurin und ihre Protagonistin interagieren. Am Ende des Films etwa, als Dariko Beria einigermaßen bekümmert von einem Gespräch mit örtlichen Behördenvertretern berichtet. Die lokalen Autoritäten hatten der einzigen TV-Journalistin vor Ort offenbar angedeutet, dass sie Ärger bekommen werde, sollte die Dokumentation über sie ein ungutes Licht auf die Stadt werfen. Georgien steht in der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 64, da kann man es verstehen, dass Beria sich Sorgen macht. Das fertige Werk aber dürfte die Entscheider von Tsalenjikha kaum in Zorn versetzt haben. Salomé Jashis Film enthält zwar zahlreiche komische Szenen, doch bloßgestellt werden die Kleinstadtbewohner nie.

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