Dokumentarfilm „Zündfunk Radio Show“: Radio mit Zunder

Seit 40 Jahren stellt sich die Radiosendung „Zündfunk“ gegen den bayerischen Mainstream. Ein Film des BR gewährt nun tiefe Einblicke.

Zündfunk-Moderator Achim Bogdahn. Bild: BR/Zündfunk

Die Kamera wandert Flure entlang, folgt Deckenlichtern, Kabelsträngen und blinkenden Server-Positionsleuchten. Schaltet um von der LED-Anzeige einer Studio-Uhr auf Sicherheitskameras, die das Sendegebäude des Bayerischen Rundfunks am Münchner Hauptbahnhof komplett umfassen. Dann eine Totale auf den Horizont, es ist ein Panoramablick von den Gleisen und Zügen am Hauptbahnhof im Zentrum der Stadt auf die Gebirgszüge der Alpen in der Ferne.

So beginnt der Dokumentarfilm „Zündfunk Radio Show“, er hat Großes im Blick, um eine Arbeitswelt im Kleinen abzubilden. Zum 40. Jubiläum der Radiosendung Zündfunk im Bayerischen Rundfunk haben die beiden Filmemacher Jörg Adolph und Gereon Wetzel die Redaktion über ein Jahr bei ihrer täglichen Arbeit begleitet.

Der „Zündfunk“ ist eine auch wegen seiner Musik- und Themenauswahl über die Grenzen Bayerns hinaus bekannte und geschätzte Institution im öffentlich-rechtlichen Radioprogramm des BR. Zündfunk nennt sich die Jugendwelle im Zweiten Programm des BR seit 1974.

Wer sie einschaltet, bekommt kritische, teilweise intellektuelle und immer Pop-affine Unterhaltung serviert; Beiträge, Interviews oder Konzertmitschnitte abseits der Zwänge des Formatradios.

Konträr zum bayerischen Mainstream

Man sieht, wie der New Yorker Singer-Songwriter Adam Green live im Zündfunk auftritt. Er singt durch den Pappbecher seines Kaffees und kritzelt „Zündfunk“ auf den Boden des Bechers, bevor er ihn zerreißt. Die Kamera übernimmt Greens Perspektive, schaut durch die Röhre des Bechers ins Mikrofon, dann hinüber auf die Trennscheibe zur anderen Seite des Studios: Dort arbeiten die Zündfunk-Redakteure. Ihre Meinungen liegen auch mal konträr zum bayerischen Mainstream. Etwas, das in der forsch zum Ausdruck gebrachten gesellschaftlichen Konformität in der Medienlandschaft des Freistaats tatsächlich ungewöhnlich ist.

„Zündfunk Radio Show”, Dienstag, 25. November, 22.45 Uhr, Bayerisches Fernsehen.

Die Zündfunk-Redaktion bestreitet täglich anderthalb Sendestunden am frühen Abend und eine Nachtstunde ausschließlich mit Musik. Von Beginn an mussten sich die Macher gegenüber den Interessen des Senders radikal behaupten, beeindrucken ließen sie sich davon nicht. Obwohl in den siebziger Jahren das Zündfunkprogramm vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet wurde.

Die programmatische Diskussion und teilweise harte Auseinandersetzung mit der (Sender-)Politik spiegelt sich in der „Zündfunk Radio Show“ wieder. Auf der Tonspur werden immer wieder Ausschnitte alter Sendungen eingespielt, etwa O-Töne von Landesvater Franz Josef Strauß (CSU) zu den Protesten gegen die geplante W.A.A. in Wackersdorf („Werk des Teufels“), ein Mitschnitt von der Berliner Loveparade in den frühen Neunzigern, oder einfach alte Jingles.

Einblick in peinsame Momente

Was in den achtziger Jahren ein stark von einzelnen Autoren geprägtes Radio war, steht heute im „sinnvollen Zwang der schlauen Aufgabenverteilung“, wie es der Redaktionsleiter Jan Heyermann zur Doppelmoderation einmal im Kreis der Redakteure formuliert, die inzwischen jede Sendung begleitet. Eine Moderatorin und ein Moderator führen jeweils zusammen durch das Programm. Ihr spielerisches Pingpong ist Zielscheibe harter interner Kritik.

Und in jenen Momenten der Selbstkritik hat der Film auch den meisten „Show“-Appeal, denn „Zündfunk-Radio-Show“ hält auf den sogenannten „Air-Check“, eine jeweils nach der Ausstrahlung stattfindende redaktionelle Manöverkritik am Ablauf und Aufbau der Sendungen drauf. Er zeigt auch die Redaktionskonferenzen und ihre zum Teil peinsamen Momente von Lob und Tadel, von gnadenloser Selbstinszenierung und schlauer Meinungsäußerung.

Gezeigt wird, wie eine Sendung im Zeitalter des Eventjournalismus auch Festival- und Konzertveranstaltungen im Portfolio hat und mit Touragenturen um Gagen für auftretende Künstler feilscht.

Nah dran, aber nicht distanzlos

Vom Büroalltag der redaktionellen Arbeit begleitet der Film die Radiomacher auch nach draußen, bei der Recherche von Beiträgen und Auswahl von Interviewpartnern, beim Besuch von Hörern, die an der Quizsendung teilgenommen und gewonnen haben und der aufwändigen Übertragung eines Konzerts von The Notwist, live aus ihrem Übungsraum.

Dem übermenschlichen Konkurrenzdruck durch das Internet und der Abwanderung von Hörern im digitalen Zeitalter in Netzradios und Social Media begegnet der Zündfunk übrigens aktiv, in dem er regelmäßig Kongresse zur Netzpolitik veranstaltet und die Netzrealitäten im Programm stark abbildet.

Der Dokumentarfilm von Adolph und Wetzel ist also eine Nahaufnahme geworden, aber keine distanzlose Lobhudelei.

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