Dokumentation „The Story of Wikileaks“: Entzauberte Hacker

Filmemacher Alex Gibney erzählt in „We Steal Secrets: The Story of Wikileaks“ die Geschichte zweier Männer. Zögernd, fast widerstrebend erkennt er Widersprüche.

Zu Beginn des Films ist die Begeisterung des Regisseurs für Julian Assange noch groß. Bild: dpa

Diese Geschichte beginnt im Weltraum. Die Kamera nähert sich der Erde von weit oben. Und diese Geschichte endet dort auch, irgendwo in den Sternen. Vielleicht ist so viel Abstand vom Irdischen notwendig, schließlich geht es hier um Großes, manche würden sagen: um Heldenhaftes. Darum, wie ein Mann eine Supermacht herausfordert. Julian Assange, Mitbegründer von Wikileaks, gegen die USA.

Anfänglich ist sie stark zu spüren – die Begeisterung des Filmemachers Alex Gibney für die Hauptfigur. //www.facebook.com/WeStealSecrets?v=app_379496515501585&app_data=gaReferrerOverride%3Dhttp%253A%252F%252Fwww.google.de%252Furl%253Fsa%253Dt%2526rct%253Dj%2526q%253D%2526esrc%253Ds%2526source%253Dweb%2526cd%253D8%2526ved%253D0CHAQFjAH%2526url%253Dhttp%25253A%25252F%25252Fwww.westealsecretsmovie.com%25252F%2526ei%253D7wrcUbuUNYOxtAbXnYC4BQ%2526usg%253DAFQjCNHrzrMAsQXv_ndxUAagzHYSVbk4jQ%2526bvm%253Dbv.48705608%252Cd.Yms:Seine Erzählung beginnt im Oktober 1989. Eine Sonde mit Atomantrieb soll ins All, Umweltschützer fürchten eine Havarie. Als Mitarbeiter der US-Raumfahrtbehörde Nasa am 16. Oktober 1989 in ihre Büros kommen, lesen sie auf den Bildschirmen ihrer Computer „Worms against nuclear killers! Wank. Your system has been officially wanked.“ Jemand hat die Kontrolle über ihre Rechner übernommen.

Die Hacker saßen wahrscheinlich in Australien. Dort gab es zu der Zeit eine lebendige Szene, auch Julian Assange gehörte dazu. Nie hat er zugegeben, an dem Nasa-Hack beteiligt gewesen zu sein. Aber er und sein Umfeld spielen damit, dass sie es gewesen sein könnten. Denn: atomare Gefahr, unbekannte Davids veralbern den Goliath USA – das ist die prototypische Robin-Hood-Geschichte.

Auch „Underground“, das von Julian Assange mit verfasste Buch über die Hacker der 1980er und 90er Jahre, startet mit den Ereignissen von 1989. Der Filmemacher Alex Gibney und sein Team sind hier ganz nah bei ihrem Mann. Gibney, so sagt er es in Interviews, war überzeugt, Assange habe etwas Großes getan und die Vorwürfe, dieser habe in Schweden zwei Frauen vergewaltigt, seien eine Verschwörung.

Warum misstraut Assange den eigenen Leuten?

Doch zögernd, fast widerstrebend erkennt er Widersprüchliches. Warum misstraut Assange seinen eigenen Leuten so sehr? Wieso gebietet er der Hetze seiner Anhänger gegen die beiden Schwedinnen nicht Einhalt? Hat Assange, als er darauf hingewiesen wurde, dass seine Daten Afghanen, die den USA helfen, in Lebensgefahr bringen könnten, wirklich gesagt, diese Leute hätten den Tod verdient? Und änderte all das etwas an der Tragweite und Glaubwürdigkeit seiner Enthüllungen?

Viele Fragen, die sich im Falle des NSA-Whistlebowers Edward Snowden stellen, lassen sich in „We Steal Secrets. The Story of Wikileaks“ finden. Die Frage nach dem Heldentum und ob Demokratien solches nötig haben sollten. Die Frage, was es rechtfertigt, die eigenen Überzeugungen über die vieler anderer zu stellen. Die Frage, wie einsam ein Held ist und sein muss.

Der Journalist James Ball – er hat ebenfalls an den Wikileaks-Enthüllungen mitgearbeitet – sagt: „Whistleblowing ist eine isolierende Tat. Du tust etwas, das deine Freunde und Kollegen nicht wollen. Es entfremdet dich von ihnen.“ Und das, obwohl man dringend jemanden brauche, um zu reden. Jemanden, bei dem es sicher ist. Ball sagt das vor allem über Bradley Manning, den Soldaten, der Wikileaks die spektakulärsten Enthüllungen bescherte. Manning ist die zweite große Figur in diesem Film.

Je mehr Abstand „We Steal Secrets“ von Assange gewinnt, umso mehr wendet sich der Film Manning zu. Und kommt ihm teilweise so nahe, dass es Unbehagen auslöst. Dafür braucht es keine Bilder, denn oft ist nur Schrift zu sehen, wenn der Film aus den Protokollen der Chats zwischen Manning und Adrian Lamo zitiert. Lamo ist der Hacker, der Manning später an die US-Behörden verraten wird:

„info@adrianlamo.com: hey you…around?

bradass87: yeah

info@adrianlamo.com: why talk to me?

bradass87: because im isolated as fuck

bradass87: my life is falling apart…i dont have anyone to talk to“

Manning erzählt alles

Weil Manning sich allein fühlt, jemanden braucht, in seiner Basis im Irak, erzählt er Lamo alles. Er schreibt über seine Probleme mit den anderen Soldaten, seine Homosexualität, seine Unsicherheit, ob er sich als Mann oder Frau sieht. Manning überlässt sich Lamo völlig, und der liefert ihn ans Messer. Das ist social hacking per excellence, das Manipulieren eines Menschen, um an Informationen zu kommen. In diesen Momenten gibt es keinen widerwärtigeren Mann auf dieser Welt als Adrian Lamo.

Später wird er sich rechtfertigen, weinend, offenbar unter Drogen – und dann möchte man auch ihm glauben. „We Steal Secrets“ erzählt nur eine mögliche Geschichte von Wikileaks – die zweier Männer. Das hat etwas von der Geschichtsschreibung alter Zeiten, in der Historie allein von Königen gemacht wurde. Aber es hat auch etwas Folgerichtiges, angesichts der aktuellen Erzählungen, die dem Archetyp des Helden eine so starke Rolle geben. Und es entkleidet die Figur des Hackers, diesen Magier der Technik, seines Zaubers.

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