Donald Trump in Davos: Der Andere

Der US-Präsident feiert sich selbst – und bekommt dafür verhaltenen Applaus. Seine Steuerpolitik findet jedoch Freunde unter der WEF-Elite.

Porträt Trump

Donald Trump vor seinem Auftritt beim WEF Foto: ap

DAVOS taz | Um ihn zu sehen, stellen sich die Leute anderthalb Stunden vorher in Bereitschaft. Die Warteschlange wächst. Ein paar hundert Leute sind es schon – Männer in Businessanzügen, aber mit Wanderschuhen, Frauen in Kostümen, aber mit Fellstiefeln. Er ist eine Attraktion. Wenn man schon mal die Gelegenheit hat…

Gleich wird Donald Trump sprechen, live und in Farbe. Der Twitter-Präsident der allgemeinen Verunsicherung, über den man auch hier gerne witzelt, dass er ein Dromedar von einem Nashorn unterscheiden könne, wie der Arzttest kürzlich ergeben habe. Erst wurde er eingeladen und meldete sich nicht. Dann sagte er zu und alle waren aus dem Häuschen. Dann war fraglich, ob er wirklich kommt. Jetzt ist er tatsächlich hier. An diesem Freitag fiebert das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos seinem Höhepunkt entgegen, kurz bevor der viertägige Kongress der globalen Wirtschafts- und Politikelite am Abend zu Ende geht. Die Rede des US-Präsidenten ist das wichtigste Ereignis, auch wenn viele hier das gar nicht toll finden.

Trump war, obwohl abwesend, sowieso die ganze Zeit da. Als er am Donnerstagmittag endlich per Hubschrauber eintrifft und mit seiner Entourage einen ersten Gang durch das Kongresszentrum unternimmt, stehen die Manager und Managerinnen in Pulks hinter den Absperrbändern, versuchen einen Blick zu erhaschen und klicken mit ihren Smartphonekameras. Trump schreitet die breite Treppe hinauf und winkt huldvoll ins Publikum.

Der andere emotionale Höhepunkt des diesjährigen WEF hat da schon stattgefunden. Dort, wo gleich Trump auftreten wird, hielt am Mittwoch Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron seine mehr als einstündige Rede. Im großen Saal vor hunderten Zuhörern plädierte er für ein starkes Europa, Freiheit, soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz. Es war eine Ansprache vor der Schlacht, gehalten in fast jugendlichem Überschwang, für alles Gute, und zwar sofort, weltweit. Macron formuliert den rhetorischen-moralischen Konsens, den zahlreiche Teilnehmer des Forums teilen, vermutlich auch WEF-Chef Klaus Schwab. Dafür lieben ihn die Zuhörer. Als er endet, springen viele auf, umringen ihn, wollen ihn sprechen, machen Selfies. Macron lacht.

Neue Stärke

Jetzt werden die Türen geöffnet. Unter den Blicken des Sicherheitspersonals muss jeder seinen WEF-Ausweis scannen lassen. Bald sind alle Plätze besetzt. Es befinden sich vielleicht 1.500 Leute im Saal. Neben dem weißen Pult auf der Bühne steht links und rechts ein Teleprompter, dahinter in sehr großen Buchstaben das Motto des Weltwirtschaftsforums „Verpflichtet die Welt zu verbessern“.

Und nun führt Schwab Trump auf die Bühne. Dieser trägt schwarzen Anzug, weißes Hemd und rote Krawatte. In seiner 15-minütigen Rede sendet der US-Präsident eine Botschaft neuer amerikanischer Stärke, lädt ausländische Unternehmen ein, in den USA zu investieren und betont, dass die Interessen seines Landes für ihn immer an oberster Stelle stünden. Wenn es den USA gutgehe, würden andere auch profitieren, sagt Trump.

„Nach Jahren der Stagnation erleben die USA jetzt starkes Wachstum. Seit meiner Wahl klettern die Aktienkurse. Die Arbeitslosigkeit unter afro-amerikanischen Bürgern ist so niedrig wie noch nie“, lobt er die Wirtschaftspolitik seiner Regierung. „Amerika ist wieder konkurrenzfähig. Ich habe eine einfache Botschaft: Es gibt keine bessere Zeit, um in den USA Geschäfte zu machen.“ Er setzt hinzu: „Wir haben die besten Arbeiter in der Welt.“

Dann erklärt er, dass er daran arbeite, das „internationale Handelssystem zu reparieren“. „Wir können keinen offenen Handel betreiben, wenn andere das System ausbeuten. Wir wollen fairen Warenaustausch, aber das muss gegenseitig erfolgen.“ Ohne China oder die EU zu nennen, wirft er anderen Ländern vor, Protektionismus zu Lasten der USA zu betreiben. „Fairer Handel nützt allen“, fügt er hinzu und erläutert, dass er statt Abkommen mit Staatengruppen lieber Verträge mit einzelnen Ländern schließen wolle.

Gegen den Multilateralismus

Außenpolitisch kündigt er eine „Kampagne des maximalen Drucks“ an, um Nordkorea die Atomwaffen wegzunehmen. Iran dürfe keinen Zugang zu denselben erhalten. Der Präsident endet mit dem Satz: „Die Zukunft Amerikas war nie verheißungsvoller als jetzt.“

Seine Positionen vertritt Trump klar und eindeutig – wohl wissend, dass sich während der vergangenen Tage des WEF eine Phalanx von Politikern gegen dieses Programm der Einseitigkeit ausgesprochen hat. Außer Macron waren das Bundeskanzlerin Angela Merkel, Italiens Regierungschef Paolo Gentiloni, die Premierminister von Kanada und Indien, Justin Trudeau und Narendra Modi. Mit unterschiedlicher Nuancierung plädieren sie alle für Multilateralismus – das gemeinsame Aushandeln von Lösungen auf Augenhöhe.

Die Attacken des US-Präsidenten und seine Skepsis gegenüber der globalen Verhandlungskultur haben nun zwei Wirkungen. Erstens rücken die Trump-Gegner zusammen. Zu beobachten war das beim WEF, als Trudeau verkündete, das pazifische Freihandelsabkommen unter anderem mit Mexiko, Japan, Australien und Vietnam werde im Zweifelsfall auch ohne die USA abgeschlossen. Ähnliche Reaktionen sieht man in Europa, indem Merkel und Macron die EU stärken wollen.

Opposition ohne Konsens

Die zweite Wirkung besteht darin, Trumps Kritik am bisherigen Globalisierungsmodell aufzunehmen und positiv zu wenden. Der Unter- und Mittelschicht in den reichen Ländern, die ihre Jobs, Einkommen und Sicherheit gefährdet sehen, verspricht man eine soziale Globalisierung. Das ist der Kern von Macrons Ansage.

Bei letzterem handelt es sich allerdings um ein politisches Projekt, das in Davos vielleicht die Herrschaft in den Podiumsdiskussionen errungen haben mag, aber kein wirklicher Konsens ist. Denn viele Vorstandsvorsitzende und Manager finden Trump zwar verstörend und chaotisch, seine Wirtschaftspolitik aber gut. Sie begrüßen die Steuersenkungen für Unternehmen. Das jedoch wurde bei den Podiumsdiskussionen während des WEF lieber nicht so deutlich gesagt.

Anders beim Essen der europäischen Unternehmen mit Trump am Donnerstagabend. Links neben ihm saß Siemens-Vorstand Joe Kaeser, rechts SAP-Chef Bill McDermott. Kaeser beglückwünschte Trump „zur Steuerreform“. Deshalb habe Siemens entschieden, eine neue Generation von Gasturbinen in den USA zu entwickeln. McDermott betonte, Trump habe „Schwung in die Weltwirtschaft gebracht“.

Nach seiner Rede erhält Trump keine stehenden Ovationen wie Macron. Es gibt zehn Sekunden spärlichen Beifall. Vor der Tür protestieren zwei junge Frauen, die T-Shirts mit der Aufschrift „not my president“ tragen. Trump macht einen zufriedenen Eindruck.

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