Doppelanschlag in Syrien: Revolutionäre fühlen sich allein gelassen

Die syrischen Rebellen sind enttäuscht von den Reaktionen der Weltgemeinschaft auf den Doppelanschlag in Damaskus, bei dem 70 Menschen starben. Hinweise auf die Täter gibt es noch keine.

Zwei Sprengsätze waren vor einem Gebäudekomplex detoniert, in dem ein berüchtigtes Foltergefängnis untergebracht ist. Bild: reuters

DAMASKUS/ISTANBUL dpa | Der Doppelanschlag von Damaskus mit bis zu 70 Toten hat weltweit Entsetzen ausgelöst. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte das Blutbad in der syrischen Hauptstadt und rief alle Konfliktparteien - also auch die Opposition - zur sofortigen Beendigung der Gewalt auf. Die Protestbewegung in Syrien zeigte sich von der Reaktion der Weltgemeinschaft enttäuscht. Sie macht das Regime für den Anschlag verantwortlich.

Am Freitag gab es noch keinen Hinweis auf die Täter, die das Blutbad vor einem Foltergefängnis in Damaskus angerichtet hatten. Auf einer Islamisten-Website tauchte lediglich ein Bekennerschreiben zu einem kleineren Sprengstoffanschlag vom vergangenen Samstag in Damaskus auf. In der Botschaft, die mit „Siegesfront der Bewohner Syriens“ unterzeichnet ist, heißt es, die Explosion zweier Sprengsätze unter einem Fahrzeug der Armee habe mehrere Angehörige der Sicherheitskräfte das Leben gekostet.

Der UN-Sicherheitsrat forderte als Konsequenz aus dem Anschlag, den Sechs-Punkte-Plan des Syrien-Sondervermittlers Kofi Annan konsequent und vollständig umzusetzen. Der Vatikan erklärte, nun müssten rasch mehr Beobachter nach Syrien entsandt werden. Die Lage erfordere den entschlossenen Einsatz der gesamten internationalen Gemeinschaft.

Die Union der Koordinationskomitees der syrischen Revolution sieht die syrische Führung hinter dem Anschlag von Damaskus. „Die Version des syrischen Regimes, das behauptet, die Opposition und die Revolutionsbewegung hätten dieses Verbrechen begangen, ist unlogisch“, heißt es in einer Botschaft, die in der Nacht zum Freitag veröffentlicht wurde. Die beiden Sprengsätze waren am Donnerstag vor einem Gebäudekomplex detoniert, in dem ein berüchtigtes Foltergefängnis untergebracht ist. Die Opposition sprach von 59 Toten.

Ein Regimegegner, der nach eigenen Angaben Kontakte zu Offizieren im Sicherheitsapparat hat, sagte, vor dem Anschlag seien 22 Leichen aus dem Kühlhaus des Militärkrankenhauses von Damaskus geholt worden. Diese Toten seien am Tatort abgelegt worden. Dies erkläre auch, weshalb auf einem Foto vom Tatort ein Toter zu sehen sei, der nur ein Hemd und eine Unterhose trage.

Die libanesische Schiitenbewegung Hisbollah unterstützte derweil die Theorie der syrischen Führung, dass Assad Opfer einer Verschwörung westlicher Imperialisten und sunnitischer Extremisten sei. Zu den Anschlägen erklärte die „Partei Gottes“: „Ist dies etwa der Arabische Frühling, den Washington und seine arabischen Verbündeten wollen?“

Erneute Demos und Tote

Assad-Gegner demonstrierten am Freitag erneut in mehreren Städten. Landesweit wurden ihren Angaben zufolge 13 Menschen von Regierungstruppen getötet. Ein 70 Jahre alter Mann sei an den Folgen seiner Verletzungen gestorben, die er am Vortag bei dem Anschlag in Damaskus erlitten habe. In Aleppo wurden nach Information der Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter drei Menschen durch die Explosion eines Sprengsatzes verletzt.

In einer Erklärung des Nationalen Koordinationskomitees für den Demokratischen Wandel hieß es am Freitag, ein Gesandter des UN-Vermittlers Annan habe sich mit dem Vorsitzenden der Organisation, Hassan Abdul Asim, getroffen. Ziel dieses Gesprächs sei es gewesen, den politischen Teil des Annan-Plans für Frieden in Syrien voranzubringen, anstatt sich nur auf die Überwachung der brüchigen Waffenruhe zu konzentrieren.

Der UN-Beobachtereinsatz in Syrien hatte im April begonnen. Die Zahl der unbewaffneten Militärbeobachter ist inzwischen auf 113 gewachsen; Ende Mai sollen es 300 sein. Die Bewegung von Abdul Asim setzt auf eine politische Lösung des Konfliktes, der bereits seit März 2011 andauert und schätzungsweise 10 000 Menschen das Leben gekostet hat.

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