Dresden gedenkt der Bombardierung: It's democracy, stupid

Frank-Walter Steinmeier beschreibt angemessen komplex die Bombardierung Dresdens vor 75 Jahren. Dazu reist er in die sächsische Landeshauptstadt.

Personengruppe vor Rathaus in Dresden

Vor dem Rathaus in Dresen Foto: Jens Büttner/dpa

DRESDEN taz | Der Bombenhagel zerstörte das Krankenhaus, brannte den Kern der Stadt nieder und tötete in Windeseile mehr als tausend Zivilisten. Diese knappe Schilderung stellt Frank-Walter Steinmeier an den Beginn seiner Rede in Dresden, das am 13. Februar 1945 von britischen Bombern in einen Feuerorkan verwandelt wurde.

Dresden ist nicht nur Synonym für die Destruktionskraft moderner Kriegsführung geworden – es ist für deutsche Rechtsextreme Ansatzpunkt, um die erträumte erinnerungspolitische Wende um 180 Grad in Gang zu setzen. Deutsche als Opfer sollen deren Täterschaft überblenden. Deshalb behauptet AfD-Parteichef Tino Chrupalla, dass damals 100.000 in Dresden starben. Es waren solider historischer Forschung zufolge 25.000.

Steinmeier schildert am Beginn seiner Rede nicht Dresden 1945, sondern die Zerstörung des Marktplatz und Krankenhauses in der polnischen Kleinstadt Wieluń am 1. September 1939. „Die Bomben von Wieluń waren das erste Verbrechen in einem Krieg, den das nationalsozialistische Deutschland in die Welt trug. Sie waren Vorboten des Grauens, das deutsche Selbstüberhebung, deutscher Rassenwahn und deutscher Vernichtungswille über Europa brachten.“ Wieluń war die Ursache, Dresden die Folge.

Joachim Gauck hat vor fünf Jahren in Dresden gesagt, dass wir „niemals die Opfer deutscher Kriegsführung vergessen, wenn wir hier und heute der deutschen Opfer gedenken“. Das sagte sich damals leichter – 2020 sind die Versuche der Rechtsextremen die Geschichte umzudeuten vehementer geworden, noch stärker ist ihr Versuch die Gegenwart zu bestimmen. Es ist komplizierter geworden, deutscher Opfer zu gedenken.

Fokus auf Zivilbevölkerung

Steinmeier rückt das Leid der Zivilbevölkerung dicht vor Augen. „Die Todesangst und die Enge im Keller; die Einschläge der Bomben, das splitternde Glas und die zerberstenden Mauern; das tosende Feuer, das allen Sauerstoff aus Straßen, Häusern und Trümmerhöhlen sog; die verbrannten Menschen und das Skelett der Stadt – unzähligen Augenzeugen sind die Bilder, Geräusche und Gerüche der Schreckensnacht nie mehr aus dem Kopf gegangen.“

Gauck hatte 2015 auf eine naturalistische Beschreibung des Grauens verzichtet – Steinmeier versucht mit diesem Stilmittel jeden Vorwurf auszuräumen, er schiebe als Reaktion auf die rechtsextreme Opferfixierung deutsche Opfer beiseite.

Steinmeier macht einen rhetorischen Dreischritt. Er widerspricht vehement dem Versuch „die Toten von Dresden gegen die Toten von Auschwitz aufzurechnen“, allerdings ohne das Leiden der Opfer am 13. Februar zu verkleinern oder gar, wie es verstrahlte Linksradikalen mal taten, den Feuersturm zur gerechten Strafe zu verklären.

Steinmeier erwähnt, dass in Großbritannien seit 1944 die Frage debattiert wird, ob die Bombardierungen „militärisch sinnvoll, völkerrechtlich erlaubt, moralisch legitim“ waren – allerdings ohne diese Diskussion näher zu beleuchten.

Die Conclusio lautet, wenig überraschend, so wie das Motto, das Steinmeier für seine Präsidentschaft gewählt hat: Demokratie. Er warnt vor „autoritär-nationalistischer Politik“. Das sei „eine Lehre aus dem deutschen Irrweg, der zur Zerstörung Dresdens geführt hat.“ It's democracy, stupid. Man kann das durchaus als Kommentar zu Erfurt verstehen.

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