Drogen-Debatte in Schleswig-Holstein: Kampf um jedes Gramm

Laut Koalitionsvertrag will die Kieler Dänen-Ampel die Bagatell-Grenze für Cannabis-Besitz erhöhen. Doch auch aus den eigenen Reihen wird das Projekt kritisiert.

Eine Karre Cannabis: Die Kieler Landesregierung will den Eigenbedarf nun doch nicht erhöhen. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die geplante Drogenpolitik der neuen Kieler Landesregierung aus SPD, Grünen und SSW ist in die Kritik geraten. Es geht vor allem um einen Satz im Koalitionsvertrag: Demnach wollen die Koalitionäre die sogenannte Bagatell-Grenze prüfen und anheben, bis zu der die Staatsanwaltschaf davon absieht, den Besitz weicher Drogen zu verfolgen. Im Moment sind das bei Cannabis in Schleswig-Holstein und in einem Dutzend anderer Länder sechs Gramm, in drei anderen Bundesländern zehn.

Doch dass die Anhebung wirklich kommt, ist knapp drei Monate nach Amtsübernahme der neuen Regierung mehr als fraglich. Denn beliebt scheint das Thema bei den Koalitionsparteien nicht zu sein. Die für Drogenpolitik zuständige Sozialministerin Kristin Ahlheit (SPD) brennt jedenfalls nicht für das Thema und ist extrem skeptisch. Sie findet das Vorhaben „wegen der möglichen falschen Signalwirkung zumindest diskussionswürdig“ und will die fachlichen Stellungnahmen abwarten. Für Ahlheit ist ein möglichst niedrigschwelliges Präventionsangebot die „vordringliche Aufgabe“.

Deutlicher mit seiner Kritik wurde am Wochenende Ex-Justizminister Uwe Döring (SPD). Er polterte gegen die Pläne und nannte sie ein „falsches Signal“. In seiner Amtszeit im Jahr 2006 war die Bagatellgrenze von 30 Gramm auf sechs Gramm für Cannabis gesenkt worden, auch um den „illegalen Charakter der Droge Haschisch“ deutlich zu machen, wie er sagte. „Ich wünsche mir keine Diskussion, bei der die Kippe am Strand verboten und verfolgt wird, bei der ’Tüte‘ aber ein Auge zugedrückt wird“, schrieb Döring in den Lübecker Nachrichten.

Das hat die Koalition aus SPD, Grünen und SSW zur Drogenpolitik in ihren Vertrag geschrieben:

Beratungseinrichtungen sollen gefördert und erhalten werden.

Drug-Checking will die neue Regierung ausprobieren. Es ermöglicht Konsumenten ihre Drogen auf ihre Zusammensetzung zu testen - und Suchtberatern sie direkt anzusprechen und aufzuklären.

Drogenkonsumräume will das Bündnis rechtlich absichern.

Vor Kriminalisierung schützen will das Bündnis Drogenkonsumenten durch eine bundeseinheitliche Regelung.

Der Nichtraucherschutz soll bundesweit einheitlich werden. Ausnahmeregeln im Land sollen überprüft werden.

Die Kritik: Die CDU sieht darin die "Kapitulation vor der Drogenproblematik" und die "Unterstützung illegaler Machenschaften".

Doch auch bei den Grünen, den Initiatoren der entsprechenden Regelung im Koalitionsvertrag, scheint man sich nicht verausgaben zu wollen. Die gesundheitspolitische Sprecherin erklärt zwar, dass man mit der Anhebung der Grenze Geld bei der Strafverfolgung sparen wolle, um es in die Präventionsarbeit zu stecken. Doch schon beim innen- und rechtspolitischen Sprecher Burkhard Peters hört man deutlich weniger Begeisterung. Die Kritik von Döring weist er zwar deutlich zurück. Diese sei „unerbeten“, „etwas störend“ und „missinterpretierend“, sagte Peters. Schließlich sei nicht festgelegt worden, wie stark die Grenze angehoben werde.

Peters gibt jedoch zu, dass das Thema für ihn keine Herzensangelegenheit ist. Man müsse das Ergebnis der Prüfung abwarten. Wenn es ganz massive Bedenken gebe, werde man darüber nicht hinweggehen. Am Ende werde die Sache sowieso in der Koalition besprochen.

Die Grüne Jugend dagegen sieht den Passus im Koalitionsvertrag als Symbol hin zu einer neuen, ganz anderen Drogenpolitik, wie ihr Landesvorsitzender Tilmann Schade erklärt. Seine Organisation hat das Thema Bagatell-Grenze in das grüne Wahlprogramm gebracht. Schade freut sich über die nun anlaufende Diskussion und will bei den eigenen Abgeordneten Druck machen.

Genaue Zahlen darüber, um wie viele Fälle es in Schleswig-Holstein geht, liegen nicht vor. Auch geht aus der polizeilichen Statistik nicht hervor, wie viel Gramm jeweils bei den ertappten Cannabis-Besitzern gefunden wurden. Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik für Schleswig-Holstein gab es 2011 rund 3.300 „allgemeine Verstöße“ gegen das Betäubungsmittelgesetz, bei denen es um Cannabis ging.

Peter Eichstädt, der drogenpolitisch Sprecher der SPD, will die Gemüter beruhigen: An der Frage, ob sechs oder zehn Gramm toleriert werden, „entscheidet sich nicht der Erfolg von präventiver Drogenpolitik“, sagte er. Es gebe auch gar keinen Grund zur Eile, denn: „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.“

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