Drogen: Krokodil erreicht Berlin

In Hilfseinrichtungen der Stadt sind die ersten Konsumenten der gepanschten Droge Krokodil aufgetaucht. Noch handelt es sich um Einzelfälle.

Tödlich: Krokodil. Bild: DPA

In der Nacht zum 29. März humpelt ein drogenabhängiges Ehepaar in die Krisenwohnung des Drogennotdienstes in der Nähe des Tiergartens. Der Mann geht auf Krücken, die Frau ist „von oben bis unten bandagiert, in einem erschreckenden körperlichen Zustand“. So schildert es Christina Arndt-Dinkel, Koordinatorin der Krisenwohnung, in der Drogenabhängige versorgt werden und übernachten können. Das osteuropäische Paar kam direkt aus der Notaufnahme der Charité. Die Diagnose: eine Überdosis Krokodil.

Der Stoff gilt in Russland als Droge des armen Mannes: Wer sich kein Heroin leisten kann, spritzt sich das noch schädlichere Krokodil. Vor einem halben Jahr tauchten erstmals Krokodil-Konsumenten in westdeutschen Hilfseinrichtungen auf. Nun scheint die Droge auch in der Hauptstadt angekommen zu sein. „Aus den Erzählungen unserer Klienten weiß ich, dass Krokodil in Berlin kursiert“, bestätigt Christina Arndt-Dinkel von der Krisenwohnung der taz.

In Deutschland kostet ein Schuss Straßenheroin etwa 10 Euro, für den gleichen Preis verkaufen manche Dealer ihren ahnungslosen Kunden die Billigdroge, die mit dem bloßen Auge von Heroin nicht zu unterscheiden ist. Der Rausch wird durch die Substanz Desomorphin verursacht, die die Dealer selbst im Kochtopf zubereiten können. Die Grundlage liefern Schmerztabletten oder Hustensäfte mit dem Wirkstoff Codein. Auch Benzin, abgeschabte Streichholzköpfe und Schwermetalle landen in dem Cocktail.

Das Resultat zerstört den Körper der Konsumenten schnell. Rund um die Einstichstellen entstehen eiternde Wunden und zentimetergroße Löcher. Die Haut verfärbt sich grünlich-grau und bildet Schuppen – daher der Name Krokodil. Auch von innen frisst die Droge den Körper auf, führt zu Gewebeschäden und Organversagen. Nach Angaben russischer Mediziner liegt die Lebenserwartung Abhängiger bei ein bis drei Jahren.

Der Senat sieht vorerst keinen Handlungsbedarf. „In Berlin ist bislang kein Krokodil-Konsum nachgewiesen worden. Das Landeskriminalamt bleibt bei dem Thema aber sehr aufmerksam“, sagt eine Sprecherin der Gesundheitsverwaltung. Einen Verdachtsfall habe es gegeben, der sich aber nicht bestätigte.

Das könnte auch daran liegen, dass der Wirkstoff Desomorphin im Blut nur zwei bis drei Tage nachweisbar ist, weiß Heinrich Elsner, der als leitender Arzt der Krisenhilfe Bochum Erfahrung mit Krokodil-Nutzern hat. Seiner Einschätzung nach spritzen sich den Stoff vor allem Menschen aus Osteuropa, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Ein großes Problem sei ihre Versorgung: „Krok-Nutzer brauchen dringend medizinische Hilfe. Ins Krankenhaus trauen sie sich aber oft nicht, da sie als Illegale keinen Krankenversicherungsschutz haben“, sagt Elsner. Einrichtungen wie der Drogennotdienst Berlin helfen in solchen Fällen unbürokratisch.

Auch den Streetworkern der Hauptstadt ist die Droge ein Begriff. Jürgen Schaffranek vom Transit-Projekt für transkulturelle Suchtarbeit kümmert sich um jugendliche Drogenkonsumenten mit Migrationshintergrund. Bisher habe er zwei Krokodil-Nutzer getroffen, die aber schon Ende 2011 nach Russland abgeschoben worden seien, erzählt er. Schaffranek fürchtet nicht, dass die Droge in Mode kommen könnte. „Über Krok müssen wir kaum Aufklärungsarbeit leisten: In der Szene ist bekannt, was das für ein gefährliches Zeug ist“, berichtet er. Daher handele es sich bei Krokodil-Abhängigen in Berlin bisher um Einzelfälle. Der Sozialarbeiter warnt aber auch: „Im Rahmen von Zuwanderung kann sich das schnell ändern.“

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