Drogenhandel im Görlitzer Park in Berlin: Blau ist die Hoffnung

Am Dienstag beschließt die Kreuzberger Sicherheitskonferenz, Polizeistreifen gegen Dealer einzusetzen. Damit soll das Problem eingedämmt werden.

Bei einer Razzia im Görlitzer Park in Kreuzberg. Bild: dpa

Ab Ende April wird es im Görlitzer Park in Kreuzberg noch etwas voller: Dann sollen Mitarbeiter von Polizei und Ordnungsamt gemeinsam Streife laufen. Auf den befestigten Wegen werden auch Einsatzfahrzeuge patrouillieren. Beschließen wird dies am morgigen Dienstag eine Sicherheitskonferenz unter Leitung von Monika Herrmann, grüne Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Treffen werden sich dabei Vertreter von Polizei, Ordnungsamt und Quartiersmanagement. Die neuen Streifen sollen die Dealer im Park in ihre Schranken weisen.

Ein erstes Krisentreffen hatte bereits vor zwei Wochen stattgefunden. Auslöser war, dass Kinder im Görlitzer Park auf einem Spielplatz vier mit Kokain gefüllte Kügelchen gefunden hatten. Für Herrmann war damit eine rote Linie überschritten.

Regelmäßige Präsenz von Uniformierten in einem Bürgerpark und dazu noch im Herzen von Kreuzberg? Bisher wäre das undenkbar gewesen. Man darf gespannt sein, wie die Kreuzberger, denen ja eher eine Abneigung gegen „Bullen“ nachgesagt wird, auf die Staatsgewalt im Park reagieren. Zumal man Erfahrung gesammelt hat: Zwischen Januar 2013 und Ende März 2014 fanden im Park 210 Razzien statt. „Habt ihr nichts Besseres zu tun?“, bekamen Beamte zu hören.

Dennoch: Mit der zunehmenden Zahl der Dealer, die fast ausnahmslos Flüchtlinge aus Afrika sind, ist der Leidensdruck der Anwohner gestiegen. 2012 wurden noch 30 bis 50 Dealer gezählt. Jetzt sind es mehr als 200. Sie stehen an den Eingängen und auf den Wegen und verticken das Gras zunehmend aufdringlicher. Ein Drogenberater erzählt, dass er als „Bastard“ beschimpft wurde, als er sich über die Anmache beschwerte. Immer öfter kommt es zudem zu Handgreiflichkeiten. „Die Aggression steigt“, beobachtet eine Anwohnerin.

Bislang galt der Görlitzer Park als Handelsplatz für weiche Drogen. Doch: „Hat sich der Markt etabliert, ziehen harte Drogen nach“, sagen Drogenberater. Längst beschränkt sich der Handel nicht mehr nur auf den Park: Vom U-Bahnhof Görlitzer Park über den Wrangelkiez und die Warschauer Brücke bis zum RAW-Gelände an der Revaler Straße stehen die Dealer an manchen Tagen. Dabei hat die Hochsaison, wenn die Touristen kommen, noch gar nicht begonnen.

Laternen aufgestellt

„Wir müssen gegensteuern“, sagt Bürgermeisterin Herrmann. Die Frage ist nur: Wie? Schon vor sechs Jahren diskutierte eine Kiezrunde über einen „Görlitzer Park ohne Dreck und Drogen“. Vor drei Jahren befestigte der Bezirk Wege, stellte Laternen auf. Die Initiative „Unser Görli – einer für alle“, ein Projekt des Grünflächenamts, legte einen „Garten der Kulturen“ an. Das Bezirksparlament möchte einen Coffeeshop einrichten, in dem Cannabis nach holländischen Vorbild legal erworben werden kann. Der entsprechende Antrag an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird vorbereitet. Die Chancen, dass er bewilligt wird, sind ziemlich schlecht.

Nach dem Kokainfund auf dem Spielplatz besteht Handlungsbedarf. Die Repression muss verstärkt werden, betont nun sogar Herrmann. Bei der Polizei findet sie dafür ein offenes Ohr. „Die Razzien waren kein durchschlagender Erfolg“, räumt Polizeisprecher Thomas Neuendorf ein. „Kurz danach waren die Händler wieder da.“ Er begrüßt den „neuen Ansatz“ einer regelmäßigen Doppelstreife von Polizei und Ordnungsamt. Aus der Welt schaffen werde man die Probleme damit sicher nicht. „Aber die Auswüchse werden begrenzt.“

Drogenberater präzisieren: „Da, wo die Polizei aktiv wird, werden die Auswüchse bekämpft.“ Das Problem werde aber in die Seitenstraßen verlagert. „1 + 1 = 2“, sagt einer. Auch bei der offenen Heroinszene sei das so: „Wenn die Polizei am Herrmannplatz aktiv wird, wandert die Szene zum Kotti. Kommt die Polizei dorthin, geht es zum Hermannplatz.“

Die Anzahl der Handelsplätze, an denen öffentlich Cannabis verkauft wird, variiere beständig, sagt Polizeisprecher Neuendorf. Besonders im Fokus potenzieller Konsumenten stünden derzeit die Grünanlagen Hasenheide und Görlitzer Park.

Marihuana ist die in Berlin meistkonsumierte illegale Droge. Die Zahl der Kiffer steige seit 1990 kontinuierlich an, teilte die Landesdrogenbeauftragte Christine Köhler Azara mit. Aus dem Ende März vorgestellten Suchtsurvey der Senatsverwaltung für Gesundheit geht hervor, dass 42 Prozent der 1.024 befragten Berliner zwischen 15 und 64 Jahren Erfahrungen mit Cannabis hatten. Die meisten Berliner tätigten ihre Einkäufe über private Netzwerke, sagen Experten.

Aber was machen die Touristen, wenn die Polizei die Dealer aus dem Görlitzer Park vertreibt? „Bei Cannabis besteht keine Abhängigkeit“, sagt Polizeisprecher Neuendorf. „Dann kiffen die Touristen eben nicht in Berlin.“ Wer’s glaubt, wird selig.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.