EGMR verurteilt Russlands Repressalien: Gerechtigkeit für Kreml-Kritiker

Der zehnmonatige Hausarrest für den Journalisten Alexej Nawalny waren rechtswidrig, urteilt der EGMR. Russland muss 20.000 Euro Schadenersatz zahlen.

Alexej Nawalny, Oppositionsaktivist aus Russland

Aktivist Alexej Nawalny: Hier bei einem Gedenkmarsch an den Oppositionsführer Boris Nemzow Foto: dpa

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Russland wegen Verletzung der Menschenrechte des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny verurteilt. Die zehnmonatige Anordnung von Hausarrest im Jahr 2014 sei eine rechtswidrige Freiheitsbeschränkung gewesen. Der gleichzeitig verhängte Kommunikationsbann habe sein Recht auf Meinungsfreiheit beeinträchtigt. Das Vorgehen gegen Nawalny verfolgte das Ziel, Pluralismus zu unterdrücken, so der EGMR. Russland muss Nawalny 20.000 Euro Schadensersatz zahlen.

Der 42-jährige Journalist Alexej Nawalny kämpft seit Jahren gegen Korruption in Russland und nutzt dabei vor allem seinen Blog und seinen YouTube-Kanal. Er gilt auch als wichtigster Oppositionspolitiker. Im Jahr 2012 wurden Ermittlungen gegen Alexej Nawalny und seinen jüngeren Bruder Oleg wegen Betrug und Geldwäsche eingeleitet.

Oleg Nawalny soll seinen Posten bei der russischen Post missbraucht haben, um das Kosmetikunternehmen Yves Rocher zu einem ungünstigen Vertrag zu drängen. Alexej sei über eine zyprische Gesellschaft an dem Manöver beteiligt gewesen. Ende 2015 wurden die Brüder zu einer Freiheitsstrafe von je dreieinhalb Jahren verurteilt, Alexey nur auf Bewährung. Der EGMR stufte die Vorwürfe und das Urteil zwei Jahre später als „willkürlich“ ein.

Im Zuge dieser Ermittlungen wurde gegen Alexej Nawalny 2012 ein Hausarrest verhängt. Zur Begründung hieß es, Nawalny solle an der Flucht gehindert werden. Seine Anwesenheit zu Hause wurde mit einer elektronischen Fußfessel gesichert, einem Sender, der am Fuß befestigt ist. Nawalny durfte das Haus nur verlassen, um zum Arzt zu gehen oder Justiztermine wahrzunehmen. Er durfte nicht zur Arbeit, nicht einkaufen und nicht spazierengehen. Der EMRK wertete dies als rechtswidrigen Eingriff in Nawalnys Recht auf Freiheit, weil es keine Anzeichen für eine mögliche Flucht Nawalnys gab.

Eingriff in die Meinungsfreiheit

Neben dem Hausarrest wurde Nawalny ein weitgehendes Äußerungsverbot auferlegt. Er durfte nur mit seiner Familie und seinen Anwälten kommunizieren. Nicht einmal das Internet durfte er nutzen. So sollte verhindert werden, dass er öffentlich zu seinem Fall Stellung nimmt. Ein russisches Gericht beschränkte den Bann nach einigen Monaten auf Kommunikation mit anderen Verfahrensbeteiligten. Der EGMR konnte nicht erkennen, wie der Kommunikationsbann das Ermittlungsverfahren sichern sollte. Der Eingriff in die Meinungsfreiheit habe nur dazu gedient, Nawalnys Aktivitäten zu beschränken.

Natürlich fielen die Reaktionen unterschiedlich aus: Ein Kremlsprecher nannte das Urteil „ziemlich unerwartet“. Alexej Nawalny erklärte, das Urteil werde „Konsequenzen für alle haben, die in Russland konstant dieser Art von Gesetzlosigkeit unterworfen sind.“ Noch ist das Urteil der siebenköpfigen Kammer nicht rechtskräftig. Russland kann noch immer eine Entscheidung der 17-köpfigen Großen Kammer beantragen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.