EM-Sieg euphorisiert vor Parlamentswahl: „Griechenland wird nicht sterben“

Der Sieg ihres Teams bei der Fußball-EM beflügelt viele Griechen vor der so entscheidenden Parlamentswahl. Konservative und radikale Linke liegen laut Umfragen gleichauf.

Fans feiern den Sieg auf dem Omonia-Platz in Athen. Bild: dapd

ATHEN afp/dapd | Der 26-jährige Stavris Helmis bringt es auf den Punkt: „Sport mag zwar nicht das wichtigste der Welt sein, aber er hebt unsere Stimmung.“ Der Einzug der Nationalmannschaft ins Viertelfinale der Europameisterschaft hat die Fußballherzen trotz Krise höherschlagen lassen. Tausende Athener strömten am Samstagabend auf den zentralen Omonia-Platz, um den überraschenden 1:0-Vorrundensieg ihrer Elf gegen Russland zu feiern.

Kurz vor der entscheidenden Parlamentswahl, die ihr wirtschaftliches Schicksal besiegeln könnte, haben die gebeutelten Griechen nicht nur wieder etwas zu feiern. Der unverhoffte EM-Erfolg bietet vielen einfachen Griechen offenbar die Chance, sich vom Image als das Schnorrerland Europas zu befreien.

„Das Ergebnis ist eine Botschaft an die Politiker und alle anderen, dass Griechenland nicht sterben und sich niemandem beugen wird“, sagte der 62-jährige Chris Mbogosian. Der 29-jährige Vasilis Papaspyliotopoulos pflichtete ihm bei: „Griechen haben Herz und zeigen es. Gerade in Krisenzeiten halten wir zusammen.“

Am Sonntagmorgen begann die Parlamentswahl, die allgemein als Schicksalswahl über den Verbleib Athens in der Euro-Zone angesehen wird. Die Wahllokale in dem hochverschuldeten Land öffneten um 7.00 Uhr (6.00 Uhr MESZ). Unmittelbar vor der Wahl machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nochmals klar, dass Athen nicht auf eine Lockerung der internationalen Sparvorgaben hoffen könne.

Insgesamt sind rund 9,9 Millionen Griechen zu den Urnen gerufen. Die Wahllokale schließen um 19 Uhr Ortszeit, erste Hochrechnungen werden um 22 Uhr erwartet. Es ist bereits das zweite Mal innerhalb von nicht einmal zwei Monaten, dass ein neues Parlament gewählt wird. Nach der Wahl am 6. Mai war keine Regierungskoalition zustande gekommen, weshalb der jetzige Urnengang nötig wurde.

Gelder nur bei Einhaltung der Sparauflagen

Letzte Umfragen sagten ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der konservativen Nea Dimokratia (ND) und dem radikalen Linksbündnis Syriza voraus. Die ND ist für einen Verbleib in der Eurozone, sie will aber die internationalen Sparauflagen nachverhandeln. Syriza-Chef Alexis Tsipras dagegen will die Vereinbarungen ganz aufkündigen.

Allerdings machten die anderen EU-Länder deutlich, dass sie nur bei Einhaltung der Sparauflagen weiter Hilfsgelder nach Athen überweisen wollen. Unter anderem sprach sich Merkel am Samstag in Darmstadt erneut gegen eine Lockerung der internationalen Vereinbarungen aus. Sie hoffe, dass aus der Wahl die Kräfte als Sieger hervorgingen, „die sagen, wir wollen uns an die Abmachung halten“.

Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker warnte seinerseits vor der „verheerenden Signalwirkung“ eines möglichen Austritts Griechenlands aus der Euro-Zone. Sollte die Wahl wirklich zu einem Euro-Austritt Athens führen, wäre die Gefahr groß, dass die gesamte Währungsunion in Turbulenzen gerät. Über die richtigen Maßnahmen gegen eine solche Gefahr wird in der EU gestritten.

Hollande fordert Wachstumspaket

Frankreichs Präsident François Hollande fordert einem Zeitungsbericht zufolge einen sofortigen europäischen Wachstumspakt im Umfang von 120 Milliarden Euro. Er schickte nach Informationen des Journal du Dimanche bereits Vorschläge an Merkel und andere europäische Regierungschefs. Hollande fordere, dass bereits beim EU-Gipfel Ende Juni über den Pakt entschieden werde, berichtete die Zeitung. Am Samstag telefonierte Hollande mit Merkel, der Elysée-Palast sprach anschließend von „konstruktiven und fruchtbaren“ Gesprächen.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) forderte ihrerseits die Europäer auf, den Kampf gegen die Krise besser zu koordinieren. Zwar verfüge die Europäische Union über „die Mittel, die Institutionen, die Stärke und die Kraft“, um der Krise Einhalt zu gebieten, sagte OECD-Chef Angel Gurría im mexikanischen Los Cabos. Die einzelnen Staaten müssten ihre Entscheidungen aber „besser koordinieren“.

In Los Cabos beginnt am Montag das Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20). Beherrschendes Thema dürfte die Euro-Krise sein, vor allem das Wahlergebnis in Griechenland.

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