EMtaz: Das Turnier neben dem Turnier: Völkerball in Südtirol

Europas nationale Minderheiten spielen ihren eigenen Fußballwettbewerb aus. Dabei geht es auch um Vielfalt und Respekt.

Die sorbische Frauen-Elf beim Training

Die sorbische Frauen-Elf beim Training Foto: dpa

BERLIN taz | „Uns gibt es wirklich. Und das wollen und werden wir allen zeigen“, sagt Esat Alimow. Der 25-Jährige ist Kapitän der Fußballmannschaft der Krimtataren, Adalat (Gerechtigkeit). Sein Team tritt bei der Europeada, der Fußball-Europameisterschaft der autochtonen nationalen Minderheiten, an.

Das Turnier, das an diesem Samstag beginnt und von der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEN) veranstaltet wird, findet nach 2008 und 2012 zum dritten Mal statt – in Südtirol.

Unter dem Motto „Vielfältigkeit, Achtsamkeit, Respekt“ treten 24 Männer- sowie erstmals auch 6 Frauenmannschaften an. Bei Männern und Frauen treten die deutschsprachigen Süd­tiroler, die Ladiner aus Italien, die Lausitzer Sorben, die Okzitanier aus Frankreich, die Rätoromanen aus der Schweiz sowie die Russlanddeutschen aus Russland an.

Bei den Herren der Schöpfung kicken unter anderem auch noch so illustre Grüppchen – auch sie gibt es wirklich – wie die Zimbern aus Italien, die Manx von der Isle of Man und die Aromunen aus Rumänien mit.

Hölzerner Adler mit Südtiroler Wappen

Bei dem Wettbewerb geht es jedoch um mehr als um Tore und die Siegertrophäe – einen hölzernen Adler mit dem Südtiroler Landeswappen. „Die Europeada ist ein tolle Chance, der Welt unser Volk zu präsentieren. Und so etwas läuft außer über Politik und Kultur eben auch über den Sport“, sagt Esat Alimow.

Für Adalat ist die Teilnahme an der Europeada eine Pre­mie­re. Die Mannschaft wurde erst im September 2015 in Kiew gegründet und damit anderthalb Jahre nach der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland. Vor allem die dort noch lebenden Krimtataren werden regelmäßig Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen durch die russischen Machthaber.

Esat Alimow, Krimtatare

„Die Europeada ist eine Chance, der Welt unser Volk zu präsentieren. So etwas läuft eben auch über Sport“

Stefan Bothe ist Talkshow-Stammgast. Anne Will, Plasberg, Gottschalk – Bothe ist immer dabei. Wir haben ihn für die taz.am wochenende vom 18./19. Juni begleitet und einen Ort des diskursiven Miteinanders erkundet. Außerdem: Noch fünf Tage, dann stimmen die Briten über die Zukunft in der EU ab. Gehen oder bleiben? Unser Autor untersucht die Gemütslage. Und: Bald will der Berliner Senat Bierbikes verbieten. Ist es wirklich so schlimm? Höchste Zeit, einmal mitzufahren. Am Kiosk, eKiosk oder im praktischen Wochenendabo.

Diese Situation wirkt sich auch auf Adalat aus. Die Mehrheit der Mannschaftmitglieder sei noch auf der Krim gemeldet und müsse nach dem Turnier dorthin wieder zurückkehren. Andere Spieler, die derzeit in Kiew oder in Lwiw studierten, hätten noch ihre Familien dort. Man müsse also auf jeden Fall vorsichtig sein, sagt Alimow.

Einige Kicker hätten wegen Problemen mit ihren Dokumenten gar nicht ausreisen können und kurzfristig ersetzt werden müssen.

Mit Prognosen vorsichtig

„Das ist ein Experiment. Deshalb bin ich mit einer Prognose vorsichtig. Wir wollen auf jeden Fall Spiele zeigen, die unseres Volkes würdig sind“, sagt Alimow. „Und der Erfolg von Jamala beim Eurovison Song Contest feuert uns dabei natürlich an.“

Anders als Adalat verfügt die Mannschaft der Roma aus Ungarn bereits über Europeada-Erfahrung. 2012 schaffte sie es bis ins Finale, wo sie den deutschsprachigen Südtirolern mit 3:1 unterlag.

Für die Minderheit der Roma ist die Lage im Lande des Rechtsauslegers Viktor ­Orbán nicht eben rosig. So haben Roma bislang kaum einen Zugang zu Bildung und werden auch mal gern zu Sozialdiensten zwangsverpflichtet, wollen sie ihre überschaubare staatliche Unterstützung nicht verlieren.

Und dennoch: Als die ungarische Nationalmannschaft gegen Österreich gewonnen habe, sei er sehr stolz gewesen, sagt der Abwehrspieler Tamás Sárközi. „Wenn sie schlecht spielen, bin ich traurig, wie die anderen Leute hier, denn ich bin doch genauso Ungar wie sie.“ Wieder mit Stolz erfüllt es ihn, wenn er, wie er sagt, „das Nationaltrikot unserer Zigeuner-Nationalmannschaft“ trägt. „Denn damit vertrete ich doch auch mein Heimatland.“

In ihrem ersten Spiel am Sonntag sind die Roma klare Favoriten. Sie treten gegen die Minderheitenauswahl aus Estland an. Die flog 2012 bereits nach der Vorrunde raus – ohne ein einziges Tor erzielt zu haben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.