EU-Gericht entscheidet gegen Österreich: AKWs bleiben „nachhaltig“
Österreich scheitert beim EU-Gericht mit einer Klage gegen die Einstufung von Atomkraft als nachhaltig. Für Umweltschützer ist das Greenwashing.

Die EU will bis 2050 klimaneutral werden. Damit das erforderliche private Kapital in die richtigen, das heißt ökologisch nachhaltigen Kanäle fließt, gibt die EU vor, welche Investitionen als „nachhaltig“ beworben werden dürfen.
Die zugrundeliegende Taxonomie-Verordnung stammt von 2020 und enthielt vor allem abstrakte Vorgaben. Ausdrücklich ausgenommen wurden nur Investitionen in Energieerzeugung aus festen fossilen Brennstoffen wie Kohle. Konkretere Vorgaben machte eine „delegierte Verordnung“ der EU-Kommission vom März 2022.
Danach gelten auch Investitionen in Atom- und Gaskraftwerke als nachhaltig. Denn hierbei handele es sich um wichtige Übergangstechnologien zu einer Energieversorgung, die vor allem auf erneuerbaren Energien beruht.
Zu „weiter Spielraum“
Österreich klagte beim EuG gegen die Einstufung von Atom- und Gaskraftwerken als nachhaltig. Dafür hatte die damalige Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) gesorgt. Unterstützt wurde Österreich dabei nur von Luxemburg. Dagegen wurde die EU-Kommission von neun Staaten ausdrücklich unterstützt, unter anderem von Frankreich, Finnland und Polen.
Eine mit 15 Richtern besetzte große Kammer lehnte die österreichische Klage nun in einem 111-seitigen Urteil ab. Die delegierte Verordnung der Kommission habe nicht gegen die zugrundeliegende Taxonomie-Verordnung oder anderes EU-Recht verstoßen. In der Taxonomie-Verordnung seien Atom- und Gaskraftwerke nicht ausdrücklich ausgenommen worden.
Das Gericht betonte immer wieder den „weiten Spielraum“ der EU-Kommission bei der Umsetzung der Taxonomie-Verordnung. So machte Österreich zum Beispiel geltend, dass die Finanzierung von AKW den Ausbau von erneuerbaren Energien behindere, weil Finanzmittel dann dort fehlen. Dagegen ging die EU-Kommission davon aus, dass AKWs, die die Grundlastversorgung sichern, den Ausbau von erneuerbaren Energien sogar erleichtern. Laut EuG ist das jedenfalls „kein offensichtlicher Beurteilungsfehler“.
Außerdem entschied das EuG, dass Atomkraftrisiken aus dem Uranabbau oder dem Brennelementetransport von der EU-Kommission zurecht nicht berücksichtigt wurden. Die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle durfte als beherrschbar angesehen werden.
Schrittweise zur Klimaneutralität
Gaskraftwerke durften laut EuG als nachhaltige Übergangstechnologie eingestuft werden, weil auch sie der Versorgungssicherheit dienen und ein schrittweises Vorgehen hin zur Klimaneutralität ermöglichen.
Österreich könnte gegen das EuG-Urteil noch Rechtsmittel zum übergeordneten Europäischen Gerichtshof (EuGH) einlegen. Allerdings gehören die Grünen seit November 2024 nicht mehr der Wiener Bundesregierung an, die derzeit aus ÖVP, SPÖ und Neos besteht. Der aktuelle Klimaschutzminister Norbert Totschnig (ÖVP) will das Urteil zunächst prüfen.
Beim EuG sind noch zwei ähnliche Klagen von Greenpeace und Client Earth anhängig. Nach der eindeutigen Ablehnung der österreichischen Klage ist mit einem Erfolg der Umweltverbände aber kaum zu rechnen. „Mit dieser Entscheidung legitimiert das Europäische Gericht Greenwashing im Finanzsektor und untergräbt die europäischen Klimaziele“, kritisierte Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser das aktuelle Urteil. (Az.: T-625/22)
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