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EU-Handelsabkommen mit SingapurKritik am ersten digitalen Handelsdeal

Ein bisher kaum beachtetes Abkommen der EU mit Singapur ruft Gewerkschaften und Datenschützer auf den Plan. Die Linke fordert rechtliche Überprüfung.

Singapur, 13. Juli: Im Geschäftsviertel von hängt ein großes Werbeplakat Foto: Agoes Rudianto/AA/imago
Eric Bonse

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Eric Bonse aus Brüssel

Es soll neue Maßstäbe im weltweiten digitalen Handel setzen. Doch nun steht das erste Digital-Abkommen, das die EU mit Singapur vereinbart hat, auf der Kippe. Der Europäische Gewerkschaftsbund, der europäische Verbraucherverband BEUC und der EU-Datenschutzbeauftragte haben Bedenken angemeldet. Die Linke im Europaparlament will sogar den Europäischen Gerichtshof anrufen, um das Abkommen auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen.

Der strittige digitale Deal war bereits im Juli vereinbart worden. Er baut auf dem Freihandelsabkommen mit Singapur von 2019 auf und soll den Handel im Internet erleichtern. „Das digitale Abkommen mit Singapur – das erste dieser Art – wird Unternehmen und Verbrauchern auf beiden Seiten zugutekommen und unsere Wirtschaftsräume einander näher bringen“, versprach EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis. Damals fand das Thema kaum Beachtung.

Doch nun regt sich Widerstand. Das DTA (Digital Trade Agreement) könnte die Arbeitnehmerrechte aushöhlen und den Verbraucherschutz schwächen, fürchten Gewerkschafter und Verbraucherschützer.

Laut einem Gutachten erschwert das Abkommen die künftige Regulierung digitaler Dienste und der KI in Europa, insbesondere durch Einschränkungen beim Zugang zu Quellcode

Die sogenannte algorithmische Rechenschaftspflicht sowie die Durchsetzung von den europäischen Gesetzen zu digitalen Diensten und dem Onlinemarkt, wie dem Digital Service Act (DSA), Digital Markets Act (DMA) und dem AI Act zu künstlicher Intelligenz seien nicht gewährleistet, heißt es bei der auf Digitalpolitik spezialisierten Nichtregierungsorganisation EDRi.

Linke will Prüfung durch Europäischen Gerichtshof

Der Co-Chef der Linksfraktion im Europaparlament, Martin Schirdewan, will das Abkommen nun vom höchsten EU-Gericht prüfen lassen – und sich ein entsprechendes Mandat vom Parlament holen. Er habe „begründete Zweifel“, dass das digitale Handelsabkommen mit Singapur den europäischen Verträgen, Grundrechten und der aktuellen Gesetzgebung entspricht, sagte Schirdewan. Seine Bedenken werden durch ein neues Gutachten gestützt, das der taz vorliegt.

Demnach erschwert das Abkommen die künftige Regulierung digitaler Dienste und der KI in Europa, insbesondere durch Einschränkungen beim Zugang zu Quellcode. Der Deal fördere auch das Konzept des „data flows with trust“ (Datenflüsse mit Vertrauen), was den EU-Ansatz für den Schutz personenbezogener Daten untergraben könnte. Die Studie wurde von der Linken in Auftrag gegeben und vom Digitalexperten Javier Ruiz Diaz verfasst.

Unklar ist, ob das Europaparlament die Bedenken aufgreift und den Europäischen Gerichtshof anruft. Schirdewan hat zwar nach eigenen Angaben die notwendigen 72 Unterschriften von EU-Abgeordneten eingesammelt. Doch die großen Fraktionen tragen den Vorstoß der Linken, der am 13. November zur Abstimmung im Parlament kommen soll, nicht mit. „Die Sozialdemokraten haben sich bisher geweigert, unseren Antrag zu unterstützen“, klagt Schirdewan.

Die Genossen drücken – wie Konservative und Liberale – aufs Tempo. Angesichts des weltweiten Handelskriegs von US-Präsident Donald Trump müsse die EU so schnell wie möglich neue Handelsabkommen mit anderen Staaten abschließen. Neben dem Digitaldeal wartet auch noch ein Investitionsschutzabkommen mit Singapur auf die Ratifizierung. Ebenfalls auf der Warteliste steht das umstrittene Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten.

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