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EU-Mercosur-AbkommenKlimaschutz ausgehebelt

Ein Klagerecht im Freihandelsabkommen höhle den Green Deal aus, warnen NGOs in einer aktuellen Studie. Die EU-Kommission bereitet Ratifizierung vor.

Rindfleisch ist ein Hauptexportgut aus den Mercosur-Staaten. NGOs trauen den Quoten und Nachhaltigkeitsvorgaben im Abkommen nicht Foto: AgustinMarcarian/reuters

Berlin taz | Mit der Wiederaufnahme der Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, wollte die EU-Kommission Verpflichtungen zu Klimaschutz im Text eigentlich stärken. Es war ein Zugeständnis an Kri­ti­ke­r*in­nen innerhalb der EU. Dem Text, der schon über 25 Jahre alt ist, wurden Anhänge hinzugefügt, die ein Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen beinhalten, außerdem sollte etwa Entwaldung verhindert werden. Dabei wurde jedoch offenbar in den Nachverhandlungen Ende vergangenes Jahr eine Hintertür eingebaut, kritisieren Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen in einer Studie von Montag.

Nach Auffassung von Brot für die Welt, Misereor und Powershift räumt die aktuelle Fassung den Mercosur-Staaten ein Klagerecht gegen Europas Gesetze zu Nachhaltigkeit ein, die Teil des Green Deal sind. Der neu geschaffene Ausgleichsmechanismus sei im zentralen Schiedsgerichtsverfahren verankert, das die Staaten bei Verletzung des Abkommens nutzen können. Es gewähre den Staaten ein Recht auf Kompensationen, wenn EU-Gesetze wie die Entwaldungsverordnung ihre Handelsvorteile einschränken sollten, sagt Armin Paasch, Misereor-Experte für Handel und Menschenrechte. „Die EU würde sich beim Klimaschutz dauerhaft Fesseln anlegen.“

„Bei Ausgleichsmaßnahmen in Handelsabkommen geht es meistens darum, bestimmte Zölle zu senken oder den Marktzugang zu erweitern“, erklärt der Jurist Markus Krajewski, der schon viele Rechtsgutachten zu Handelsabkommen verfasst hat. Aus einer rechtspolitischen Betrachtungsweise sei dagegen nichts einzuwenden. „Wenn man sich das politisch anschaut, kann es aber natürlich bedeuten, dass diese Regelungen zu Nachhaltigkeit damit auch in der EU wieder unter Druck geraten können“, sagt Krajewski.

Die Studienautoren fürchten, dass Staaten den Mechanismus nutzen könnten, um „präventiv Druck“ auszuüben, „um missliebige Gesetzesvorhaben zu beeinflussen oder zu verhindern“. Außerdem könne eine Kompensation auch darin bestehen, dass die EU höhere Quoten von Zollbegünstigungen „für emissionsintensive oder waldgefährdende Güter wie Rindfleisch oder Ethanol“ erlaube, argumentieren sie.

Die entsprechende Passage kam im Zuge der Nachverhandlungen vergangenes Jahr hinzu. Besonders die Entwaldungsrichtlinie der EU hatte für Unmut bei den Mercosur-Staaten gesorgt. Die Regelung verbietet den Import von Waren in die EU, die mit Entwaldung in Zusammenhang stehen. Die südamerikanische Staatengemeinschaft sah sich damit bevormundet und benachteiligt.

Finaler Text noch nicht öffentlich

Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und Befürchtungen von Zolldrohungen Richtung Europa, ergab sich Ende letzten Jahres ein politisches Fenster für EU-Kommissarin Ursula von der Leyen, die Verhandlungen zum Abkommen abzuschließen. Diesen Abschluss verkündete sie zusammen mit den Präsidenten der Mercosur-Staaten im Dezember 2024.

Bis Ende Juli wollte die Kommission den finalen Text veröffentlichen. Eine Kommissionssprecherin wollte den Zeitplan gegenüber der taz jedoch nicht bestätigen. Danach müssen das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten zustimmen und das Abkommen ratifizieren. Doch das ist auch bei EU-Mitgliedstaaten weiterhin umstritten. Nachhaltigkeit ist das eine, die größere Lobby dürften Landwirte in Frankreich, Polen und Österreich stellen, die billige Konkurrenz aus Südamerika befürchten – ihre Regierungen stellen sich weiterhin quer.

Um sie zu besänftigen, wurde ein Fonds für Landwirte in Aussicht gestellt, sollten ihnen Nachteile durch das Abkommen entstehen. Die Kommission betont aber, dass sie damit nicht rechne. Denn sie hat bereits Kontingente für wichtige Güter wie Rindfleisch in den Text verhandelt, die weniger als zwei Prozent des gesamten Konsums in Europa über geringere Importzölle vergünstigen.

Für die Befürworter – dazu zählt auch die Bundesregierung – ist das Abkommen zentral, um neue Märkte zu erschließen und wichtige Rohstoffe zu sichern. Profitieren würden vor allem Europas Exportindustrien: Auto- und Maschinenbau, Pharma und auch die Ernährungsbranche.

Keine Sanktionen

Für die NGOs liegt genau darin ein grundsätzliches Problem des Freihandelsabkommens: Es sind diese Industrien, die den Klimawandel vorantreiben – aus Europa wie auch den Mercosur-Staaten. „Die vereinbarten Verbote von Exportbeschränkungen und der Abbau von Importzöllen begünstigen in Südamerika einseitig die Viehzucht, industrielle Zuckerplantagen und Sojafelder sowie den Bergbau“, sagt Studienautor Thomas Fritz von der Umweltorganisation Powershift.

„Genau diese Branchen sind in Südamerika hauptverantwortlich für die Zerstörung von Regenwäldern, Trockensavannen, Vertreibung indigener Gemeinschaften und Pestizidvergiftungen“. Die NGOs kritisieren auch, dass Passagen zu Klimaschutz und Menschenrechten im Abkommen nicht sanktioniert werden können.

„Die Kritik an den EU-Freihandelsabkommen, sie beinhalteten eine Streitbeilegung ohne Zähne, bleibt bestehen“, sagt auch Krajeweski. Er findet es dennoch wichtig, dass es diese Bekenntnisse zur Einhaltung von Verpflichtungen zu Klima, Umwelt und Menschenrechten überhaupt gibt. Die NGOs fordern die Bundesregierung und das Europäische Parlament auf, den Vertrag nicht zu unterzeichnen.

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3 Kommentare

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  • Auch nach dem Lesen verstehe ich den Artikel in etwa so.



    "Jeder Freihandelsvertrag ist abzulehenen, da dies zu umwelt und diversen menschlichen Schäden kommen kann bzw. könnte"

    Das wird dann irgendwie mit NGO´s begründet und auf die Rinderzucht als Beispiel verwiesen.



    OK und was soll das dann bewirken?

    Innerhalb der EU wird auch in Zukunft der überwiegende Teil der Bevölkerung, mich eingeschlossen, weiterhin z.B. Fleisch, (natürlich auch Rindersteaks) essen.



    Somit ist es doch vollkommen bums, ob das Abkommen kommt oder nicht, der Verbrauch wird mind. konstant bleiben.

    Es ist eher anzunehmen, dass gutes argentinisches Rindfleisch, welches überwiegend auf natürlichen Feldern gehalten wird klimatechnisch besser ist als mitteleuropäische Rinder mit Soja basiertem Futter. Der Transport mittels Schiff hat einen eher vernachlässigbaren CO2 Impact.

    Es ist für mich immer das Gleiche wenn von der politischen Linke eine gesellschaftliche Idee vorangetrieben wird.



    Gestartet wird mit "Die müssen sich doch überzeugen lassen, mit dem Klima kann es keinen Kompromiss geben" über "Dann muss es verboten werden.



    Und am Ende entsetzt sein wenn "Diesel_Steak_Dieter" rechtskonservativ wählt! Tzzzz

  • Jene "Bekenntnisse zur Einhaltung von Verpflichtungen zu Klima, Umwelt und Menschenrechten" sind das Papier nicht wert, auf denen sie stehen.



    "Neue Märkte erschließen und wichtige Rohstoffe sichern" heißt schachern, ausbeuten und schädigen, - mithilfe vieler Sub-sub-sub-Unternehmen, damit man sich aus der Verantwortung stehlen kann. Freihandel eben; frei von störenden Bedenken. Mit einem Hauch Kolonialzeitflair. Und wieder werden sich vor allem Großkonzerne die Taschen vollmachen. Natur und einheimische Bevölkerung hingegen auf der Strecke bleiben.



    Eine Klage "gegen Europas Gesetze zu Nachhaltigkeit (...), den Green Deal" wäre überfällig, weil sie längst eine Verhöhnung, eine Farce sind. Wer anderen Ländern Vorschriften machen will, sollte diese auf eigenem Gebiet engagierter umsetzen und sie nicht - wie es geschieht - bis zur Unkenntlichkeit aufweichen. "Die EU würde sich beim Klimaschutz dauerhaft Fesseln anlegen." Oh, - DA würde sie aber traurig sein ...

  • Und da sind sie, die schlechten Nachrichten 🌳🐮🌴

    „Um sie zu besänftigen, wurde ein Fond für Landwirte in Aussicht gestellt, sollten ihnen Nachteile durch das Abkommen entstehen.“

    Das ist doch völliger Wahnsinn, sowohl die Abholzung eine der letzten Lungen dieser Erde damit auch ja jeder sein Steak auf dem Teller hat und wenn sich die Fleischindustrie in unseren Breitengraden benachteilig fühlt, denen auch noch Gelder in den Allerwertesten zu pusten für episches Tierleiden.