EU-Plan zu russischem Vermögen: Trick statt Enteignung
Ist das für die Ukraine geplante Reparationsdarlehen rechtmäßig? Die EU versucht durch Anleihen, den völkerrechtlichen Schutz Russlands zu achten.
Die EU plant aufgrund des anhaltenden Kriegs eingefrorene russische Vermögen der Ukraine zukommen lassen. Was sagt das Völkerrecht dazu? Grundsätzlich geht es davon aus, dass alle Staaten souverän und gleichrangig sind. Es schützt Staaten, also auch Russland, vor der Enteignung seiner Staatsvermögen durch andere Staaten. Dieses Prinzip der Staatenimmunität will die EU beachten, schon allein um keinen Präzedenzfall zu schaffen und die völkerrechtliche Ordnung nicht weiter zu schädigen. Deshalb sieht der Plan keine Enteignung der in EU-Staaten liegenden eingefrorenen Gelder der russischen Zentralbank vor. Stattdessen sollen sie durch Anleihen der EU ersetzt werden. Das eingefrorene russische Bargeld wird dabei zwar entnommen und von der EU in die Ukraine transferiert. Dafür erhält die russische Zentralbank aber EU-Anleihen, die eingefroren bleiben. Auf dem Papier soll sich damit die Vermögensposition Russlands nicht verschlechtern. Das Bargeld, das dann an die Ukraine fließt, ist ein Reparationsdarlehen. Es wird so genannt, weil die Ukraine das Geld erst zurückzahlen muss, wenn sie von Russland Reparationen für den völkerrechtswidrigen Überfall erhält. Faktisch soll also Russland mit seinen Reparationen das Darlehen zurückzahlen. Solange Russland keine Reparationen zahlt, bleiben die EU-Anleihen der russischen Zentralbank als Sicherheit eingefroren. So der Plan. Falls Russland nie Reparationen an die Ukraine zahlt, bleiben die formal der russischen Zentralbank gehörenden EU-Anleihen ewig eingefroren. In einigen Jahrzehnten könnte dann diskutiert werden, ob dies nicht doch einer Enteignung gleichkommt. Derzeit sind dies aber hypothetische Überlegungen.
Ist das eine Notlage?
Im ersten Schritt hat die EU vorige Woche mit einer qualifizierten Mehrheit beschlossen, dass die russischen Gelder bis auf Weiteres eingefroren bleiben. Bisher musste das alle sechs Monate neu und einstimmig beschlossen werden, was Staaten wie Ungarn Erpressungsmöglichkeiten gab. Dieses Mal hat man die Abstimmung auf die Notlagenklausel in Artikel 122 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gestützt. Ob das rechtmäßig war, ist umstritten. Der belgische Premierminister Bart De Wever bezweifelt dies, da kein EU-Staat in Not sei und die Ukraine kein EU-Staat sei.Da ein Großteil der russischen Zentralbankvermögen beim belgischen Unternehmen Euroclear liegt, hat Belgien Sorge, dass es größere Risiken trägt als andere Staaten. Deshalb soll beim kommenden EU-Gipfel neben dem Plan für das Reparationsdarlehen auch eine komplizierte kollektive Haftung beschlossen werden. Da für Garantien aus dem EU-Haushalt Einstimmigkeit der EU-Staaten erforderlich ist, könnte hieran der EU-Plan am ehesten scheitern.Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die russische Zentralbank bei einem Schiedsgericht in Moskau Klage gegen die EU-Maßnahmen eingelegt hat. Das Schiedsgericht, von dem keine Unabhängigkeit zu erwarten ist, soll eine juristische Grundlage liefern, damit Russland dann seinerseits Vermögen von EU-Staaten, das sich noch in Russland befindet, einfrieren oder gar enteignen kann.
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