EU-Regierungschefs bei Energiegipfel: Europas Angst vor dem Stromausfall

Am Freitag treffen sich die EU-Regierungschefs zu ihrem ersten Energiegipfel. Für Kommissar Günther Oettinger geht Stabilität der Versorgung vor Klimaschutz.

Gehen in Europa die Lichter aus? Bild: Lene – Lizenz: CC-BY

Ein zukunftsweisender Energiegipfel der EU soll es werden. Es ist das erste Mal überhaupt, wenn am Freitag ein Treffen der Staats- und Regierungschefs der Union in Brüssel den Titel Energie im Namen trägt.

Doch die Eurokrise und die Revolution in Ägypten werden die Aufmerksamkeit der Regierenden ablenken. Obwohl sich Günther Oettinger seit Wochen den Mund fusselig schwätzt, wie dringend das Thema sei. Der EU-Kommissar aus Schwaben warnt vor Stromausfällen, wenn in den nächsten Jahren die Energienetze der Union nicht stärker miteinander verschmelzen. Er warnt vor Versorgungsengpässen, weil die EU ihren Energiehunger immer weniger selbst deckt und China als Konkurrent erwächst. Europa könne deindustrialisiert werden, sagt Oettinger: Wenn Strom zu viel kostet, verzieht sich die Industrie nach Asien. Mit diesen Szenarien will der CDU-Politiker die Union alarmieren und sein Energiekonzept durchsetzen (siehe Kasten).

Die größte Sorge des ranghöchsten Energiepolitikers Europas ist dabei weniger der Klimawandel. Nachhaltige Energie ist eines von drei gleichrangigen Zielen seiner Strategie - das häufigste Wort, das man von ihm hört, ist "Versorgungssicherheit".

Die künftige Landkarte stellt sich Oettinger ungefähr so vor: in der Nordsee Windstrom, weil es da viel Wind gibt, im Süden viel Sonnenstrom, weil es da viel Sonne gibt. Ganz Europa soll durch bessere Netze miteinander verknüpft sein, damit der Strom auch dorthin kann, wo er gebraucht wird. Dazu will Oettinger in seinem Konzept die Staaten drängen, Genehmigungsverfahren zu raffen. Vorbild dazu: China. Erstaunt erzählte er kürzlich während einer Rede in seiner alten Wirkungsstätte Stuttgart von den Dutzenden dort geplanten Atom- und Kohlekraftwerken. Letztere werden dort binnen fünf Jahren aus dem Boden gestampft. "In fünf Jahren wird im Ortsvorstand von Überlingen maximal diskutiert, ob der Strommast, der schon steht, grün oder gelb angestrichen werden soll", sagte Oettinger eher scherzhaft.

Entscheidend für seinen Erfolg wird vor allem Geld sein: Ab 2014 will er jährlich 1 Milliarde Euro, um den Netzausbau dort, wo er sich für die Wirtschaft nicht lohnt, mitfinanzieren zu können. Darüber werden die EU-Chefs zu entscheiden haben.

Claude Turmes, energiepolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, warf Oettinger vor, eine Marionette der deutschen Industrie zu sein.

"Das halte ich nun wirklich für Blödsinn. Wenn man nicht hundertprozentig die Interessen der grünen Interessengruppen vertritt sondern auch die Argumente der Industrie berücksichtigt, ist man für manche Politiker automatisch ein Industrielobbyis", verteidigt der Vorsitzende des Industrieausschusses im EU-Parlament, Herbert Reul (CDU), seinen Parteikollegen Oettinger.

Vorwürfe gegen Oettinger sind immer wieder zu hören, schließlich galt er als Ministerpräsident von Baden-Württemberg als Bremser der erneuerbaren Energien und Vorkämpfer für eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken. Das unter seiner Regentschaft ausgearbeitete Energiekonzept des Bundeslandes verfehlte die Ziele der EU, die er nun umzusetzen hat, sehenden Auges.

Von dezentraler Energieversorgung jedenfalls halte Oettinger nicht viel, sagt der grüne EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer. "Er will regenerative Energien in Form von großindustriellen Anlagen, die von den gleichen Großkonzernen wie eh und je beherrscht werden. Wir wollen andere Strukturen und dezentrale Energien", sagt er.

Deshalb kritisierte seine Partei auch Oettingers Vorstoß, eine europaweit einheitliche Förderung von erneuerbaren Energien einzuführen. In Deutschland würden sich Solarzellen dann kaum mehr lohnen, im Gegensatz zu großen Solarparks etwa in Spanien.

Damit brachte er sogar seinen Parteikollegen Bundesumweltminister Norbert Röttgen gegen sich auf. Vor allem am Widerstand Deutschlands scheiterten die Pläne. Diskutiert werden sie bei dem Gipfel am Freitag nicht. Dafür passt die Energiestrategie zu den Plänen der EU zur Rohstoffsicherung: erst die Versorgung sichern, dann kommt die Umwelt.

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