EU-weite Führerschein-Reform: Europaparlament beschließt digitalen Lappen
Der Führerschein soll in der EU digital werden. Wer beim Rasen oder mit Alkohol am Steuer erwischt wird, soll Fahrverbot erhalten.
taz | Der umstrittene Gesundheitscheck für Senioren war schon länger vom Tisch. Doch nun kommt der digitale Führerschein – und das EU-weite Fahrverbot bei Rasen und Alkohol am Steuer. Dies hat das Europaparlament am Dienstag in Straßburg beschlossen. Die 27 EU-Mitgliedstaaten müssen noch zustimmen, aber das gilt als Formsache.
Die Führerschein-Reform war überfällig. Die letzte EU-Richtlinie war fast 20 Jahre alt, seither hat sich der Straßenverkehr grundlegend verändert. Die EU trage nun auch der Digitalisierung, dem Trend zu größeren und schwereren Autos und dem Vormarsch der Elektroautos Rechnung, sagte die grüne Europaabgeordnete Jutta Paulus.
Der digitale Führerschein wird nach und nach eingeführt. Er soll die bisher übliche Plastikkarte aber nicht vollständig ersetzen. Wer möchte, kann sie auch künftig verwenden – genauso wie ihr digitales Pendant auf dem Smartphone. „Wir treiben die Digitalisierung voran, der Autofahrer kann aber auch offline bleiben“, so Paulus.
Fahrverbote sollen künftig europaweit gelten. Wer etwa im Urlaub in Spanien einen Unfall verschuldet und deshalb ein Fahrverbot bekommt, soll künftig auch in Deutschland und allen anderen EU-Ländern vom Steuer verbannt werden. Bisher war dies nicht so. Der Führerschein wurde nur in dem Land entzogen, in dem dieser ausgestellt worden war.
„Deutsches Erfolgsmodell wird europäisch“
Bereits im März hatte das Europaparlament beschlossen, doch keine Altersgrenze für Führerscheine einzuführen. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, von Autofahrerinnen und Fahrern ab 70 alle fünf Jahre einen Nachweis über ihre Gesundheit zu verlangen. Dagegen hatte sich vor allem Deutschland ausgesprochen.
Allerdings sollen künftig alle 27 EU-Staaten eine ärztliche Untersuchung verlangen oder ein Screening auf Grundlage einer Selbsteinschätzung vornehmen, wenn sie einen neuen Führerschein ausstellen. Zudem wird die Gültigkeit der Fahrerlaubnis auf 15 Jahre begrenzt.
Der nun verabschiedete Kompromiss sieht außerdem vor, dass die nationalen Regeln für Anfänger angeglichen werden. Künftig soll EU-weit eine „Probezeit“ gelten, und zwar für die ersten beiden Jahre nach der Fahrprüfung. Auch hier hat sich Deutschland durchgesetzt – im größten EU-Land gibt es bereits das „begleitete Fahren“.
„Das deutsche Erfolgsmodell wird europäisch“, begrüßte der CDU-Verkehrspolitiker und Europaabgeordnete Jens Gieseke die fertige Führerschein-Novelle. Dies sorge bei jungen Menschen für „mehr Sicherheit und Erfahrung, bevor sie allein unterwegs sind“, hofft die SPD-Parlamentarierin Vivien Costanzo.
Das Ziel sei klar, so Costanzo: „Niemand soll in der EU mehr sein Leben auf der Straße verlieren, weil Regeln unklar sind oder ihre Durchsetzung an Landesgrenzen scheitert. Wir bringen Europa damit einen großen Schritt näher an die Vision von null Verkehrstoten.“ Nun fehlt nur noch die Umsetzung – und die liegt wieder bei den Nationalstaaten.
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