Edwyn Collins macht wieder Musik: Zum Comeback durchgebissen

Zwei Schlaganfälle und fünf Jahre später: Der große schottische Popästhet Edwyn Collins macht wieder Musik. Und veröffentlicht ein brillantes, heiter stimmendes Album.

Edwyn Collins ist zurück. Bild: dpa

Kurze Zeit nachdem zwei Schlaganfälle Edwyn Collins im Februar 2005 aus seinem bisherigen Leben katapultiert hatten, begann ein Filmteam seinen Weg zurück in eine heilere Welt zu dokumentieren. "Home Again" heißt diese Dokumentation.

Man sieht den schottischen Musiker, der auf der Bühne zwischen seinen Songs immer endlose Geschichten erzählt hat und dem nun Erinnerung und Sprache verlustig gegangen war, wie er sich aufrappelt, das Sprechen übt, ein wenig schwerfällig noch, und manchmal nach Wörtern suchend.

Das Filmteam begleitet ihn zur Physio- und Sprechtherapeutin und beobachtet ihn dabei, wie er mit der linken Hand zeichnet: Tiere meist, Tiger und Vögel, immer wieder die verschiedensten Vögel. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, jemals wieder Songs zu schreiben, fängt er zaghaft zu singen an: "I'm searching for the truth", eine Melodie, die ihm kurz zuvor in einer schlaflosen Nacht in den Sinn gekommen ist.

In der nächsten Einstellung hat er eine Gitarre auf dem Schoß, seine Linke greift die Akkorde, seine Frau Grace Maxwell leiht ihm die rechte Schlaghand. "I'm searching for the truth, some sweet day we'll get there in the end." Es ist einer der ergreifendsten Momente dieses Films, und das Stück vielleicht einer jener Lebensrettungssongs, die einen zurückziehen können auf die andere, hellere Seite des Daseins.

Der Film erzählt vom ungebrochenen Mut der Verzweiflung, schildert eine Heilungsgeschichte und endet mit Collins' erstem Gig in einem kleinen Club, gegen alle Voraussagen der Ärzte und nur zwei Jahre nach den Schlaganfällen.

Dieses Frühjahr gab es auf Ashley Beeds Album "Mavis" einen neuen Beitrag von Collins: "Feeling Lucky" - ein Hoffnungsschimmer, dass da noch etwas zu erwarten sein würde von jener Galionsfigur der ersten Indie-Welle, die ihren Ruhm der Zeit bei der schottischen Post-Punk-Band Orange Juice zu Beginn der Achtzigerjahre verdankt, als Collins teil hatte an der Renaissance von Northern Soul. Seine Berühmtheit rührt allerdings von einem einzigen, die Altersrente sichernden Song her, den er Mitte der Neunziger veröffentlichte und den auch heute noch jeder kennt: "A Girl Like You".

Nun, fünf Jahre nach seiner schweren Erkrankung und 30 Jahre nach der ersten Orange-Juice-Single, ist der 51-Jährige zurück mit einem neuen Album. "I'm searching for the truth" ist nicht zufällig das letzte, emphatische Stück der Platte, und das Cover von "Losing Sleep" zieren etliche jener Vögel, die er im Lauf der Zeit gezeichnet hat.

Vielleicht gibt es in diesem Jahr keine schönere Comeback-Geschichte als die des Edwyn Collins, auch deshalb, weil "Losing Sleep" ein brillantes, heiter stimmendes Gitarrenpop-Album geworden ist - die Krankheit hat gewiss nicht wenige der Songs beeinflusst, deren reife Entspanntheit und deren Sprache, die notgedrungen einfacher und ironiefreier geworden ist; aber sie hatte keinen Einfluss auf seine Songwriter-Qualitäten.

Schon die ersten Takte des Titeltracks, eine stampfende, an frühe Aufnahmen erinnernde Uptempo-Nummer mit einem geradlinigen Northern-Soul-Beat ist von größter Eindringlichkeit; die sonore, wiedergewonnene Stimme singt davon, wie einem nicht nur der Schlaf, sondern auch noch die Würde abhanden kommen kann.

Collins fragt sich "What's My Role", und er weiß: "I can do it again". Und ob er kann: Die Eingängigkeit der Songs, die seine Vorlieben für Soul und Punk widerspiegeln, ist enorm, ihre Kraft mitreißend, die coole Schnoddrigkeit unübertroffen und die Botschaft anrührend: "I will always be lucky in my life, and I will find a way to get there." Manchmal muss man sich das Glück zurückerobern; Edwyn Collins zeigt, wie das geht.

Edwyn Collins: "Losing Sleep" (Cooperative Music / Universal)

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