Ehemalige US-Kaserne in Heidelberg: Kasernen statt Modellquartier
Auf einem 100 Hektar großen Gelände soll eigentlich ein Modellquartier für bezahlbares Wohnen entstehen. Wegen der Sicherheitslage hat die Bundeswehr andere Pläne.
„Wissensstadt der Zukunft“ oder doch wieder Kaserne? Vor dieser Frage steht Heidelberg. Ein Moratorium des Verteidigungsministeriums bei der Umwandlung ehemaliger Militärflächen droht Heidelbergs ambitioniertes Zukunftsprojekt Patrick-Henry-Village (PHV) abzubremsen – oder ganz zu beenden. Die Stadt wollte auf dem hundert Hektar großen Gelände ein Modellquartier für bezahlbares, klimafreundliches Wohnen errichten. Doch die Bundeswehr hat andere Pläne: 187 Konversionsflächen sollen geprüft und größtenteils in eine „strategische Liegenschaftsreserve“ überführt werden. Das PHV könnte Teil davon werden.
Begründet wird der Umwandlungsstopp mit dem steigenden Flächenbedarf der Bundeswehr angesichts der neuen Sicherheitslage in Europa. „Wir sind uns der Tragweite der Entscheidung sehr bewusst und wissen, dass in vielen Fällen bereits Planungen bestehen, betroffene Flächen zivil zu nutzen“, erklärte Staatssekretär Nils Hilmer. „Doch wir müssen den infrastrukturellen Bedarf der Streitkräfte sichern.“ Bundesweit trifft das Moratorium weitere prominente Areale wie den Fliegerhorst Fürstenfeldbruck und Teile des Berliner Flughafens Tegel.
Für Heidelberg ein herber Schlag. Jahrelang hatte die Stadt mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) über den Kauf des Geländes verhandelt – zuletzt schienen die Gespräche kurz vor dem Abschluss. Nun liegt alles auf Eis. „Eine Nutzung durch die Bundeswehr würde diesen Plänen entgegenstehen“, erklärt die Stadt betont nüchtern. Das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr bestätigte dem SWR schon vor zwei Wochen: Das PHV ist Teil der bundesweiten Bedarfsprüfung.
In Heidelberg werden seit dem Abzug der US-Armee 2014 insgesamt fünf ehemalige Militärareale zivil umgenutzt. Das PHV ist eines der größten und bedeutendsten. Die Stadt wollte das Areal zum 16. Stadtteil machen – zur „Wissensstadt der Zukunft“. Der Gemeinderat verabschiedete einen dynamischen Masterplan, die Internationale Bauausstellung (IBA) war intensiv beteiligt. Vorgesehen sind rund 10.000 Wohnungen, 5.000 Arbeitsplätze und ein Fokus auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Das Land Baden-Württemberg förderte das Projekt mit 3,5 Millionen Euro.
Ambitioniertes städtebauliches Projekt
Die Verkaufsverhandlungen mit der BImA wurden zuletzt auch wegen technischer Fragen verzögert – etwa zur Erschließung und zum Baurecht. Hinzu kommt die Landeserstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete, die rund 40 Hektar des Geländes beansprucht und nach einem Bürgerentscheid dauerhaft im Quartier verbleiben soll.
Städtebaulich ist das Projekt ambitioniert: Vorgesehen sind eine Mischung aus Bestandsbauten und Neubauten, vielfältige Wohnformen und innovative Architektur. Das Zentrum bildet das „Grüne Herz“, ein Park mit See und naturnahen Flächen für Freizeit und Urban Gardening.
Das Energiekonzept setzt auf lokale Photovoltaik, Erdwärme und ein innovatives Fernwärmenetz. Infrastruktur und Alltag sollen von Beginn an digital vernetzt sein, beispielsweise durch smartes Quartiersmanagement für Energie, Mobilität und Serviceangebote.
Die Stadt Heidelberg, die wie auch die baden-württembergische Landesregierung per Brief von der Entscheidung erfuhr, möchte an ihren Plänen festhalten, das Verteidigungsministerium verspricht, mit Ländern und Kommunen „im Dialog“ zu bleiben.
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