Eigene Währung für Berliner Waren: "Spreeblüte" fürs Regio-Kapital

Eine neue Alternativwährung soll Berlins regionale Wirtschaft in Schwung bringen. Lokale Unternehmen könnten so zinslos an Geld kommen. Trotzdem zögern die Firmen mitzumachen.

Von Freitag bis Sonntag diskutieren auf dem Kongress "Kapitalismus am Ende?" des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac mehr als 150 Referenten mit über 1.000 Teilnehmern auf knapp 100 Veranstaltungen über die Zukunft des Kapitalismus. Die thematischen Veranstaltungen beginnen am Freitag um 19 Uhr in den Räumen des Hauptgebäudes der Technischen Universität. Samstag und Sonntag geht es jeweils um 9.30 Uhr los.

Die Organisatoren haben die Veranstaltungen in sieben Themenstränge wie "Kapitalismus und Ökologie", "Ungleichheit und soziale Rechte" und "Demokratie im globalen Kapitalismus" eingeteilt. Zu den Themensträngen finden jeweils zwei Arten von Veranstaltungen statt: Podiumsdiskussionen mit anschließender Diskussionsrunde und Arbeitsgruppen in der Gestalt von Vorträgen, Seminaren, Diskussionen oder Workshops. Parallel zum Programm und an den Abenden werden Ausstellungen und Filme gezeigt.

Zu den Referenten zählen unter anderem Soziologen und Kapitalismuskritiker wie Saskia Sassen und Jayati Gosh. Es beteiligen sich außerdem Ökonomen wie Jörg Huffschmid, Joachim Bischoff und Heiner Flassbeck sowie der Sozialethiker Friedhelm Hengsbach.SVE

Regional, stabil und nachhaltig: so soll die "Spreeblüte" sein - das neue Alternativgeld für die Stadt nach dem "Berliner". Die "Spreeblüte" soll nicht den Euro ablösen, sondern stellt seine lokale Ergänzung dar. Der Verein "Regio Berlin" möchte damit die Wirtschaft vor Ort stärker und krisenunabhängiger machen sowie regionale Identität fördern. Es handelt sich dabei schon um die zweite Initiative, die ein Regiogeld in der Hauptstadt zu etablieren versucht.

Leopold Wonneberger, 31-jähriger Volkswirt und Vorstandsmitglied von "Regio Berlin", führt viele Probleme der heutigen Globalwirtschaft auf das Geld und seine "Spielregeln" zurück: "Das meiste Geld wird heute nicht mehr zu seinem ursprünglichen Zweck als Tauschmittel genutzt. Stattdessen wird mit ihm auf weltweiten Finanzmärkten spekuliert, es kann dadurch rasch an Stabilität verlieren. So wie uns es die Finanzkrise gezeigt hat." Die Spreeblüte möchte dazu ein regionales Gegengewicht bilden.

Regiogelder sind in Deutschland keine Neuigkeit mehr, wie der Chiemgauer oder die Potsdamer Havelblüte zeigen. Der Chiemgauer ist das deutsche Erfolgsbeispiel unter den Regios - seit seiner Entstehung in 2003 hat es sich rund um den Chiemsee erfolgreich etabliert. Heute sind über 300.000 Chiemgauer im Umlauf und werden von 600 Unternehmen und vielen Privatleuten genutzt.

So wie den Chiemgauer konnte man bisher auch den Berliner, eine in der Hauptstadt schon existierende Alternativwährung, gegen den Euro eintauschen. Aber: "Wir sind dabei, den Berliner aufzulösen", sagt die Vorsitzende des Vereins Berliner Regional, Susanne Thomas. Die Bedingungen in einer Großstadt seien andere als im Chiemgau, einer der reichsten Regionen Deutschlands mit einer starken regionalen Identität. Schließlich wurde Thomas und ihren Kollegen die ehrenamtliche Arbeit auf Dauer zu viel. Ein Problem für den Berliner sei gewesen, Konsumenten und Gewerbetreibende zu finden, die bereit waren, ihre Euro in Berliner umzutauschen. "Den ehrenamtlichen Aufwand, den wir dafür im Prenzlauer Berg betrieben haben, hätten wir nicht stadtweit machen können", sagt Thomas.

Wonneberger sieht deshalb jetzt die Zeit für eine "Generation Regiogeld 2.0" gekommen. "Man braucht kein Einsatzkapital in Euro mehr, um mitzumachen. Das Geld wird nicht durch den Euro, sondern durch Leistungen der teilnehmenden Firmen gedeckt."

Das soll den lokalen Unternehmern die Möglichkeit eröffnen, zinslos an Geld heranzukommen. "Wenn eine Firma mitmachen will, muss sie zuerst Mitglied im Verein werden. Gleichzeitig bekommt sie eine bestimmte Summe auf ihr Spreeblütenkonto überwiesen und muss in diesem Wert Leistungen für ein anderes Vereinsmitglied erbringen", erklärt Wonneberger. So bestehe mit dem Besitz an Spreeblüten der Anreiz, Waren und Leistungen aus der Region zu beziehen. Die Transportwege würden sich verkürzen, was der Umwelt zugutekomme.

Eine andere Besonderheit der Währung bestehe darin, dass ihr Besitz keine Zinsen abwirft. Klassische Zinsen folgen dem Prinzip "Wer hat, dem wird gegeben". Regionalwährungen funktionieren genau umgekehrt - für das Geld, das länger nicht im Umlauf ist, muss man einen Zins abgeben. Das schaffe Motivation, es auszugeben und zu investieren - ein Plus für die regionale Wirtschaft, weil zusätzliche Nachfrage und damit auch Beschäftigung geschaffen werde.

Wann die Berliner mit der Spreeblüte zahlen können, steht noch nicht fest. Laut Wonneberger befindet sich das Projekt in der Planungsphase. Und das bereits seit zwei Jahren "Wir suchen noch Unterstützer und Teilnehmer." Von denen wird auch letztendlich der Erfolg der Spreeblüte abhängen.

Der Berliner scheiterte letztlich an mangelnder Professionalität. "Wir hatten keinen Businessplan und sind nicht als Wirtschaftsverband angetreten. Heute würde ich das professioneller aufstellen", sagt Thomas. Auch Wonneberger kann nicht garantieren, dass es der Spreeblüte besser ergeht als ihrem Vorgänger. "Wir suchen noch Leute mit Bank-Know-how und praktischen finanztechnischen Erfahrungen." Damit aus der Spreeblüte keine Flietzpiepe wird.

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