Ein Kunstwerk spaltet Bozen: Der Frosch des Anstosses

Südtirol leistete sich in Bozen ein neues Museum für Gegenwartskunst und auch gleich den dazu gehörigen Skandal. Gestritten wird um Martin Kippenbergers Frosch am Kreuz.

Ein Frosch verhöhnt die Christenheit: Martin Kippenbergers Kunstwerk. Bild: dpa

Ein knallgrüner Frosch auf einem schlichten Holzkreuz, er ist leicht untersetzt, Hüftspeck zeigt sich, wo sonst das Lendentuch des Gekreuzigten zu sehen ist, auch sein Gesichtsausdruck hebt sich deutlich ab von dem des leidenden Erlösers, er streckt dem Betrachter seine breite Froschzunge entgegen, und sein giftiges Grün ist so glänzend und glatt, dass er auch als Spielzeug durchgehen könnte.

Dieser Frosch, den Martin Kippenberger Anfang der 90er-Jahre schuf, hing während der Eröffnungsfeier des Museions, des neuen Kunstmuseums in Bozen, noch vollkommen unbelangt und harmlos irgendwo im Eingangsbereich dieses neuen architektonischen Großkunstwerks.

Noch konnten die Sektkorken fliegen, noch konnte man feiern und beeindruckt sein von einer wirklich großen und umfangreichen Sammlung zeitgenössischer Kunst. Noch konnten sich all jene freuen, die sich in Südtirol über jedes Stück unabhängiger Kunstszene jenseits der Heimatfolklore und Touristenkultur begeistern; und noch konnten sich auch die Politiker siegreich wähnen, repräsentiert dieses Haus doch den Anspruch auf Maßstäbe, die über die Grenzen einer autonom regierten Provinz hinausreichen.

Wer geahnt hätte, was der nächste Tag bringen würde, der hätte sie allesamt aufgefordert, noch heftiger und noch länger zu feiern, oder am besten gar nicht mehr damit aufzuhören. Die Zett, Sonntagszeitung der Tageszeitung Dolomiten, lanciert den Skandal: Der Frosch am Kreuz verspotte und verhöhne die gesamte christlich-abendländische Kultur und Tradition. Der Landeshauptmann Luis Durnwalder lenkt ein und verspricht, das Kunstwerk sofort abzuhängen, wenn sich Menschen in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlen. Damit brüskiert er nicht nur die Direktorin, Corinne Diserens, sondern auch den zur Wahrung der Unabhängigkeit des Museions gegründeten Stiftungsrat. Der ist zunächst irritiert, redet das Ganze klein und hofft ansonsten, dass alles bald ein Ende haben möge.

Doch einer aufgehetzten Gruppe ist besser selbstbewusst entgegenzutreten als mit Beschwichtigung und mildem Verständnis. Ein kurzer Blick auf die Seiten der Leserbriefe genügt, um zu bemerken, auf welchem Hasspegel die sich inzwischen eingeschossen hat. "Ans Kreuz mit den Künstlern!", gehört lange nicht zum Ärgsten. Köpfe müssen rollen, mindestens. Tatsächlich erstaunt die Wucht, mit der sich ein nahezu biblischer Zorn hier Bahn bricht, ein Zorn, der an den zürnenden Gott des Alten Testaments erinnert, rachsüchtig und böse.

Wer bis dahin noch dachte, die paar Verzückten, die sich täglich im Büßerhemd vor dem Museion einfinden, werden sich wieder beruhigen, sieht sich getäuscht. Die mögen zwar eine Minderheit darstellen, doch gehört es zum Wesen religiös Beleidigter, kräftig und immer im Namen einer großen Gesamtheit auszuholen. Auch die Schützen marschieren auf in Tracht und Lederhose und fordern, den Frosch abzuhängen. Als Verstärker dient ihnen die Presse der Athesia-Verlagsgruppe, die absolutes Zeitungsmonopol besitzt und sich in Sachen Kirche, Sitte und Moral als weisungsbeauftragt betrachtet. Im Ton zeigt sich die der Bild-Zeitung ähnliche Mischung aus moralischer Empörung, Spott und hämischer Belustigung. Als "Die Froschkönigin" wurde auf ganzer Titelseite der Zett die Direktorin des Museions abgebildet, zwischen den gefalteten Händen ein Kreuz.

Das Land blüht vor Gegensätzen, etwas, das inzwischen viele, die nach Südtirol kommen, besonders reizt und interessiert. Die Grenzlandsituation, die Mehrsprachigkeit und Vermischung von italienischer und alpenländischer Kultur, die Gleichzeitigkeit früherer und neuer Welten. Einem alten, der katholischen Kirche verpflichteten Wertesystem steht eine wohlhabende, moderne Zivilgesellschaft gegenüber, die endlich woanders stehen will, als nur in der Kirche. Man könnte es dem Frosch danken, dass sich an ihm alles einmal mächtig entzündet.

"Eine Krise kann, wenn man bereit ist, durch sie hindurchzugehen, zu einer Klärung beitragen", findet Corinne Diserens, die nicht einsieht, warum der Streit mit allen Mitteln beendet, notfalls unterdrückt werden müsse. Es gibt einige andere, die konkretes Interesse daran haben, den Skandal am Leben zu erhalten, allerdings aus anderen Gründen. Es ist Wahlkampf, im September wird gewählt, der Frosch stand von Anfang an im Kreuzfeuer politischer Machtinteressen. Und hier finden sich auch die bizarrsten Auswüchse. "Nicht jede Gehirnblähung eines Künstlers ist zwangsläufig als Kunst zu bewerten", findet Andreas Pöder, Parteivorsitzender der rechten "Union für Südtirol". Eva Klotz, Vorsitzende der kürzlich gegründeten "Freiheit für Süd-Tirol", sieht in den regierenden Politikern nicht mehr den nötigen Schutz von Tradition und Kultur gewährleistet.

Dass, wie vom Teufel gerufen, auch noch der Papst zu Besuch kommt, hat sich Franz Pahl, Vorsitzender des Regionalrats, zunutze gemacht. Der hat vor dem Museion sein Zelt aufgeschlagen und ist in Hungerstreik getreten. Eine bizarre Verdrehung politischer Methoden, war doch der Hungerstreik bisher das Mittel der Ohnmächtigen, nicht derjenigen, die an der Macht sind. "Es gibt viele Dinge, die eine Beleidigung darstellen", äußert sich dazu Catherine David, "warum ist niemand wegen der Not und des Hungers in der Welt beleidigt?"

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