Ein Lied für den Eurovision Song Contest: Manga aus Niedersachsen

Jamie-Lee Kriewitz gewinnt den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest. Ihr Style: Pop in jeder Hinsicht – mit asiatischen Dekorationen.

Die Sängerin Jamie-Lee Kriewitz steht am 25.02.2016 beim Vorentscheid für den Eurovision Song Contest (ESC) in Köln auf der Bühne.

Jamie-Lee Kriewitz fährt für Deutschland zum Eurovision Song Contest 2016 nach Stockholm. Foto: dpa

KÖLN taz | Im Dezember hatte sie eben die aktuelle Ausgabe von „The Voice“ gewonnen, tags darauf fragte sie ihre Plattenfirma Universal, ob sie sich auch vorstellen könne, an der Qualifikation zum Eurovision Song Contest teilzunehmen. Nach ein paar Tagen Bedenkzeit stimmte sie zu: Und das gereicht ihr nun zum Vorteil, denn Donnerstagabend gewann sie in den Brainpool-Studios von Köln den Wettbewerb um das Ticket zum Finale des Popevents am 14. Mai in Stockholm.

Ihr Titel „Ghost“, von der 17-Jährigen mitverfasst, schafft es in der zweiten Runde des Abends, in der nur noch die Meat-Loaf-Gedächtnisband Avantasia und der bayerische Barde Alex Diehl ihre Konkurrenten waren, 44,5 Prozent der Televotingstimmen zu mobilisieren (Diehl 33,9, Avantasia 21,6).

Jamie-Lee Kriewetz trat in einem milde schrillen, mangaartigen Outfit auf. Auf dem Kopf das, was man ein Haargesteck nach Ikebanatechnik nennen könnte. Sie gewann, so darf vermutet werden, weil ihr Lied am ehesten den zeitgenössischen Kategorien von Pop entspricht. Sie sang obendrein mit stärker werdender Stimme, offenbar die eigenen Auftritte genießend – nicht zu Furcht erstarrt. Ihre Performances berührten offenkundig am stärksten, sie wirkte auf der Bühne mit den ersten Tönen wie von Lampenfieber befreit und selbstvertraut.

Für den NDR muss die von der gut aufgelegten Barbara Schöneberger moderierten Show eine Wohltat gewesen sein. Nur Frau Schöneberger erinnerte in ihrem Eingangsmedley hübsch selbstironisch an den gescheiterten Versuch des NDR, wie er erfahren musste, gegen die politischen Abteilungen des Hauses den politisch mindestens ambivalenten Top-Scorer des deutschen Pop, Xavier Naidoo durchzusetzen. Naidoo war zunächst als Solist nominiert worden, aber nach Protesten – wegen älterer politischer Statements zugunsten der sogenannten Reichsbürger – musste der Kandidat wieder ausgeladen werden.

Auf die Schnelle organisierte der NDR das Teilnehmerfeld, darunter auch als Komponisten Ralph Siegel, der überglücklich war, nach elf Jahren wieder an einer deutschen Vorentscheidung teilnehmen zu dürfen. Seine Kandidatin sang ein Stück, das ästhetisch an die niederen Qualitätsansprüche der achtziger Jahre anknüpfte – Laura Pinski scheiterte schon in der Vorrunde.

Ein anderer Act, Kreoma (ein Mann und eine Frau aus Berlin und Köln), war neben dem „Ghost“ von Jamie-Lee Kriewitz der modernste Auftritt des Abends: Ihr Lied „Protected“ war bester Elektropop – und scheiterte auch in der Vorrunde.

Ein wuchtiger Bayer mit Wut im Bauch

Alex Diehl verfasste Ende vorigen Jahres nach den Pariser Terrorattacken ein Lied, das er „Nur ein Lied“ nannte: Ein wuchtiger Bayer mit ausgesprochener Wut auf alle Pegidisten, Afd-Gifter*innen und rassistischen Flüchtlingshasser, hatte am Ende nur die Siegerin noch vor sich: Die deutsche Vorentscheidung für die proeuropäischste Kulturveranstaltung des Jahres hatte offenbar vom Publikum her ein Profil, das solchen Friedensliedern der schlichten Art gegenüber viel Sympathien entgegenbringt.

Jamie-Lee Kriewitz hat, nebenbei, geschworen, auf jeden Fall in Stockholm antreten zu wollen. Nicht so wie Andreas Kümmert, der voriges Jahr haushoch den Vorentscheid gewann und in den Sekunden nach der Siegesverkündung mitteilte, er stehe den Stress des ESC nicht durch – und verzichte. Ann Sophie als Ersatz wurde in Wien beim ESC-Finale Allerletzte, erntete keinen Punkt – ein Schicksal, das nach Auskunft der europäischen Wettbüros der gestrigen Siegerin nicht droht.

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