Ein Streitgespräch zur IGS: Gartenschau stößt auf Widerstand

Mit der Internationalen Gartenschau in Wilhelmsburg will Hamburgs Senat den Stadtteil jenseits der Elbe aufwerten. Doch damit sind nicht alle einverstanden.

Umstritten bei Naturschützern: Die Internationale Gartenschau in Hamburg. Bild: dpa

taz: Herr Köpke, wie finden Sie als Wilhelmsburger und Naturschützer das, was die Internationale Gartenschau mit dem grünen Zentrum Ihres Stadtteils macht?

Köpke: Seit 30 Jahren wohne ich hier und so lange war dieser Park sich selbst überlassen. Er hat sich zu einem Wald entwickelt mit geschützten Arten darin: vom Kuckuck über den Sumpfrohrsänger bis zur Nachtigall. Für die IGS hat man den Raum überplant, ohne diese Veränderungen zu berücksichtigen. Das ganze Gelände ist naturschutzrechtlich bloß als Park gewertet und auch nur als solcher ausgeglichen worden. Das heißt, man hat sich nicht um den tatsächlichen Naturbestand gekümmert.

Warum sind Sie hier stehen geblieben?

Köpke: Weil hier der erste Baum der IGS gepflanzt wurde – eine Linde, die nachher abgesoffen ist. Die ganze Wiese war eigentlich ein gesetzlich geschütztes Biotop.

Heiner Baumgarten: Auf den Karten war kein geschütztes Biotop eingezeichnet. Das ist ausdrücklich geprüft worden. Trotzdem hat die IGS darauf bestanden, die Gehölze, die hier stehen, zu erhalten. Wir wollten sie allenfalls ergänzen und das Gewässernetz nicht anfassen. Das hat die IGS durchgesetzt – gegen den Widerstand der Stadtplanung und anderer.

Köpke: Das war eine Korrektur nach dem Aufschrei der Naturschutzverbände.

61, machte eine Gärtnerlehre und studierte Landespflege in Hannover. Von 1989 bis 2007 arbeitete er im Amt für Stadtgrün und Erholung in Hamburg. Seit 2007 ist er Chef der Internationalen Gartenbauausstellung 2013 in Hamburg-Wilhelmsburg. Baumgarten ist Landesvorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Niedersachsen.

64, war bis April 2010 Landesvorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Hamburg. Er arbeitete bei einer Versicherung und lebt in Wilhelmsburg, wo er sich für den Naturschutz engagiert.

Das heißt, im Großen und Ganzen sind die Gehölze doch erhalten geblieben?

Baumgarten: Zumindest in diesem Beispiel. Hier ist die Bilanz positiv: Wir haben erstens ein Biotop erhalten, zweitens die Gewässer, die zugewuchert und verschüttet waren, wiederhergestellt.

Köpke: Wenn man in so einen wertvollen Naturraum rein geht, hätte ich erwartet, dass man den Naturschutz ernst nimmt. Im Rahmen der IGS sind an die 2.000 Bäume entfernt worden, darunter solche, die schon für sich ein Biotop waren: große alte Bäume mit Löchern und Käfern drin. Wir reden bei dem IGS-Park über ein 100 Hektar großes Gelände. Die gefällten Bäume sind auf maximal vier Hektar ausgeglichen worden.

Baumgarten: Auch hier müssen wir differenzieren. Wir werden als IGS wie eine Privatperson betrachtet. Wir haben Anträge gestellt für das Fällen von Bäumen. Dafür sind wir zum Ausgleich verpflichtet worden. Und den haben wir rein rechtlich übererfüllt. Der BUND und andere haben in der Öffentlichkeit fast nur den Eingriff in den Baumbestand diskutiert.

Damit kann ich jeden Bürger begeistern: Wenn einer einen Baum absägt sind alle dagegen. Der BUND in Hamburg muss sich vorwerfen lassen, dass er sich in die populistische Ecke begeben und nicht die sachliche Diskussion geführt hat.

Köpke: Normalerweise müsste man 100 junge Bäume nehmen, um das Grünvolumen eines alten zu ersetzen. Bis die Bäume ein Alter von 60 Jahren erreichen, kann der Specht nicht hungern.

Baumgarten: Der BUND hat überhaupt nicht gesehen, dass wir zur Verbesserung der Gesamtsituation beitragen. Die Artenvielfalt wird nach Beendigung dieser Planung größer sein als vorher. Wir haben Pflanzen, die hierher gehören, eingebracht. Wir haben zum Teil auch Pflanzen in Absprache mit dem BUND umgesiedelt, etwa die Wasserfeder.

Hier wurden sehr viele Dinge gemacht, die es nie gegeben hätte, wenn es die IGS nicht gäbe, zum Beispiel wurde hier flächendeckend eine 20 Zentimeter dicke Schicht Müll heraus gefahren: vom Benzinkanister über Batterien zu Kühlschränken.

Ziemlich unaufgeräumt sah auch die Kleingartenkolonie aus, durch die sich künftig der Rosenboulevard als eine Hauptachse der Gartenschau ziehen wird…

Baumgarten: Dieser Rosenboulevard ist Bestandteil der Kleingartenanlage „Grüner Deich“. Der Graben war völlig zugewachsen oder verfüllt, so dass er die Kleingärten nicht mehr entwässern konnte. Wir haben entschieden, diesen wieder zu öffnen. Seitdem sind auch die Parzellen wieder trocken. Und weil das die Parzelle mit den breitesten Wegen und Gräben war, wollten wir ein Ausstellungselement hinein bringen: die Rosenschau.

Köpke: Hier standen früher große alte Weiden. Und dann diese Holzkante, mit der das Ufer befestigt wurde: Auf diese Weise kann man heute keinen Graben mehr gestalten. Da hätte man sich mehr einfallen lassen müssen, um einen Lebensraum zu schaffen. Hier ist das Typische, was wir überall sehen: gerade Strukturen.

Anderswo auf dem Gelände gibt es ja typische Gräben, die sich die Besucher anschauen können.

Köpke: Es geht darum, wie der Graben vorher als Lebensraum aussah. Wir haben gerade ein großes Amphibiensterben. Beim mir in der Nachbarschaft sind 70 bis 80 Prozent aller Erdkröten weg. In der gleichen Größenordnung die Grasfrösche. Sie sind alle in dem kalten Winter erfroren. Je kleiner solche Bestände sind, desto gefährdeter sind sie und damit eine ganze Nahrungskette.

Ebenfalls zentral liegt der Kuckucksteich, ein schon vor der IGS vorhandener See mit vielen Buchten und Verbindungen zu anderen Gewässern. Was haben Sie hier verändert?

Baumgarten: Der Kuckucksteich ist in den letzten Jahren mit Teichrosen zugewachsen. Ringsherum hatte er einen fast geschlossenen Gehölzsaum, den wir gelichtet haben. Wir haben einen Wechsel von Licht und Schatten erzeugt, heimische Uferstauden ausgesät und gepflanzt. Bereits im ersten Jahr haben sich hier artenreiche Vegetationsbestände entwickelt, die einen wertvollen Lebensraum für Libellen und Falter darstellen.

Dort, wo keine Seerosen zu sehen sind, haben wir den Teich entschlammt. Hier soll man mit dem Kanu fahren können. Es werden sich hier sehr viele Erholungssuchende drängeln, weshalb wir eine Aufenthaltsplattform geschaffen haben, um zu vermeiden, dass die Besucher an die anderen Ufer gehen. Wir versuchen die Nachfrage nach Erholung mit dem Naturschutz zusammen zu bringen.

Ist das ein gelungenes Beispiel?

Köpke: Das kommt auf die Betrachtungsweise an. Wenn ich das aus der Warte der Wasservögel sehe, sage ich: Jetzt wird’s hier intensiv, jetzt kann ich nicht mehr so schön brüten wie bisher.

Heißt das, man sollte mitten in einem dicht bewohnten Stadtteil wie Wilhelmsburg die Leute fernhalten?

Köpke: Der Teich war ja gar nicht zugänglich. Alle Gewässerränder in Hamburg sind geschützt. Für mich wäre die Frage: Wo ist der Ausgleich für diesen Eingriff hingekommen? Wir haben das schon ein paarmal gefragt, aber nie richtig Antwort bekommen.

Baumgarten: Er besteht darin, dass wir andere Qualitäten reingebracht haben. Einen Punkt muss ich mal klarstellen: Jede Veränderung ist ein Eingriff. Ob jede Veränderung auch ein nachteiliger Eingriff ist, darüber diskutiert ja keiner. Ein Eingriff gilt immer als schlecht, also muss ich an anderer Stelle etwas Neues tun.

Das ist aber in der Philosophie völlig falsch. Ein skurriles Beispiel dafür ist die Fischbeker Heide: Wenn ich da junge Gehölze beseitige, gilt das als Eingriff. Wird der ausgeglichen? – Nein. Weil dieser Eingriff dem Naturschutz dient, wie bei dem von uns umgestalteten Ufer.

Köpke: Wäre hier kein Mensch, wäre das eine Raststätte für Gänse.

Baumgarten: Nun haben wir aber mal ein paar Menschen hier.

Köpke: So ist es. Hier werden zweieinhalb Millionen Leute herkommen.

Baumgarten: Und anschließend ein paar Wilhelmsburger.

Köpke: Die Biodiversitätskampagne gibt es ja nicht, weil es den Arten immer besser, sondern weil es ihnen immer dreckiger geht. Also muss ich versuchen, entsprechende Räume zu erhalten oder zu schaffen.

Baumgarten: Immer, wenn es konkret wird, wechseln Sie die Ebene.

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