Einbruch im Grünen Gewölbe in Dresden: 'ne Nummer kleiner?

Die „Bild“ spricht nach dem Diebstahl in Dresden vom „größten Kunstraub aller Zeiten“. Da fallen uns aber größere ein.

Blick durch offene Tür in Zimmer mit goldenen Verzierungen und Marmorboden

Aus dem Juwelenzimmer im Grünen Gewölbe wurden am Montag Ausstellungsstücke geklaut Foto: dpa

Seit am frühen Montagvormittag bei einem Diebstahl im Juwelenzimmer des Grünen Gewölbes in Dresden mehrere Objekte entwendet wurden, ist die Republik in Aufruhr. „Nicht nur die Staatlichen Kunstsammlungen wurden bestohlen, sondern wir Sachsen“, erklärte beispielsweise der sächsische Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) und fügte hinzu: „Das ist ein Anschlag auf die kulturelle Identität Sachsens!“

Zwar sind die wichtigsten Fragen offen: Über die Täter war zu Redaktionsschluss dieses Textes Dienstagnachmittag ebenso wenig bekannt wie über den Schaden. Die Generaldirektorin der Kunstsammlung Dresden will sich nicht auf eine Zahl festlegen lassen. Trotzdem reimte sich die Bild-Zeitung schon Dienstagfrüh auf ihrer Titelseite zusammen: „So lief der größte Kunstraub aller Zeiten!“

Woran dieser Superlativ gemessen wird, ist unklar. Legt man den materiellen Schaden zugrunde? Die Gewieftheit der Täter? Den Schmerz der Sachsen? Wie dem auch sei, man muss nicht lange suchen, um Diebstähle zu finden, die den Titel „größter Kunstraub aller Zeiten“ vielleicht eher verdient hätten. Es reicht ein Blick in die jüngere deutsche Geschichte.

Nehmen wir den Kolonialismus. Deutschlands Zeit als kolonisierendes Land war zwar vergleichsweise kurz, aber während dieser Zeit hat sich auch Deutschland an kolonialen Aneignugsprozessen beteiligt oder davon profitiert. Es behält bis heute Kunst, die geraubt wurde – nicht immer direkt von Deutschen, aber Deutschland ist in vielen Fällen Nutznießer. Im Humboldt Forum, das 2020 in Berlin eröffnet wird, werden zum Beispiel 179 Objekte aus dem ehemaligen Königreich Benin stehen, die der Raubkunst zumindest verdächtig sind.

Oder nehmen wir den Nationalsozialismus. Weil während der NS-Diktatur die jüdische Bevölkerung vertrieben und deportiert wurde, mussten viele dieser Familien Kunstwerke aus ihrem Besitz billig verkaufen oder ganz zurücklassen. Schätzungen zufolge sollen so etwa 600.000 Objekte von den Nazis geraubt worden sein. Immer wieder tauchen neue Kunstwerke aus der NS-Zeit auf, zuletzt zum Beispiel das in einem New Yorker Kunstmuseum ausgestellte Gemälde „Winter“ des Künstlers Gari Melchers. Dass die Kunstbestände der deutschen Bundesregierung noch etwa 2.500 während der NS-Zeit geraubte Werke enthalten, berichtete übrigens im Januar die Bild.

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