Eine Tote im Berliner Hausprojekt Köpi: Der Skandal, der in der Luft lag

Haben Autonome Rettungskräfte behindert und den Tod eines Menschen in Kauf genommen? Ein SPD-Politiker behauptet das – und irrt.

Mit Transparenten geschmückter Zaun vor der Berliner Wohnprojekt Köpi

Das Köpi-Gelände – eine No-Go-Area für Rettungskräfte? Foto: dpa

BERLIN taz | Am Morgen danach scheint alles wie immer. Der Innenhof der Köpi, Berlins berühmtesten linken Hausprojekts, ist verwaist. An der bröckelnden Fassade prangen bunte Graffiti, widerständige Transparente flattern im eiskalten Wind. Und die Autonomen sind die Bösen.

Am Dienstagabend hatte eine Anwohnerin auf dem Hof eine tote Frau entdeckt. Wenig später leuchtete die Köpenicker Straße im Blaulicht der Sirenen, ein Polizeigroßaufgebot sicherte das Gebiet. Eine Tote in der Köpi muss etwas anderes sein als eine in den Hackeschen Höfen. Das sieht die Polizei so, aber auch für einige Vertreter aus Politik und Presse liegt eine Skandalgeschichte auf der Hand.

Der SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber, bekannt für sein angespanntes Verhältnis zur linken Szene, wagte sich am weitesten aufs Glatteis. Auf Twitter schrieb er: „Unerträglich, dass Linksautonome billigend in Kauf nehmen, dass ein Mensch stirbt, weil sie die Rettungskräfte nicht in die Köpi 137 lassen.“ Womöglich bezieht sich Schreiber damit ungeprüft auf die Boulevardzeitung B.Z. Diese schrieb: „Der Rettungseinsatz konnte erst mit einem enormen Polizeiaufgebot durchgesetzt werden.“

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Schon am Vormittag vor der Köpi kommen Zweifel an dieser Geschichte auf. Zwei Gäste aus Prag, die einen Bekannten im Haus haben, stehen vor dem Tor und erzählen vom Vorabend. Da warteten sie zusammen mit der völlig aufgelösten vermeintlichen Finderin der Leiche vor dem Tor auf die von ihr alarmierten Sanitäter. Als diese eintrafen, seien sie sofort in den Hof gegangen, um die Tote in Augenschein zu nehmen.

Ein Anruf bei der Polizei verstärkt die Zweifel an der Version des voreiligen Law-and-order-Politikers und der Sex-and-Crime-Zeitung. „Als wir eintrafen, konnten wir nichts feststellen, weswegen wir tätig werden mussten“, so der Sprecher. Er gibt noch zu Protokoll, dass es sich bei der Toten um eine 27-Jährige handelt, die nicht aus Berlin stammt. Hinweise auf ein Fremdverschulden gebe es keine.

In Luft aufgelöst

Vollends in Luft löst sich die Skandalgeschichte durch ein Gespräch mit der Pressestelle der Feuerwehr auf. Demnach sind die Sanitäter um 23.02 Uhr eingetroffen und haben 23.06 Uhr die Polizei aufgrund einer „unklaren Todesursache in der Öffentlichkeit“ gerufen. Innerhalb dieser vier Minuten hatten die Ärzte den Tod attestiert – und dann routinemäßig die Polizei alarmiert. „Wenn es Behinderungen oder Angriffe auf die Kollegen gegeben hätte, wüssten wir das“, sagt die angesichts der Gerüchte konsternierte Sprecherin Bianka Olm.

Dass die Polizei mit einem Großaufgebot anrückte, ist für sie nicht verwunderlich – dies geschehe bei Objekten wie der Köpi oder der Rigaer94 immer. Die falschen Behauptungen nennt Olm „einfach ärgerlich“. Kommende Einsätze in der Köpi würden so schwieriger für ihre Kollegen und für die Polizei.

Schreiber war für die taz am Mittwoch nicht zu erreichen. Sein Tweet, die Autonomen seien womöglich am Tod der Frau mitschuldig, zierte noch am Nachmittag sein Profil. Keine Erkenntnis, keine Reue. Alles wie immer.

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