Eingefrorene Eizellen: Gelebter Kapitalismus

Eizellen einfrieren, finanziert vom Betrieb? Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erscheint so nur noch als technisches Problem.

Es gibt viele Hindernisse für die Karriere von Frauen – einfache technische Lösungen gibt es dafür nicht Bild: dpa

BERLIN taz | Ein Jahr bezahlte Elternzeit mit Jobgarantie? Undenkbar in den USA. Chancengleichheit mit Männern, wenn man als Mutter in den Job zurückkehrt? Unrealistisch. Die Entscheidung für Kinder aufschieben und die Firma für das Einfrieren der Eizellen bezahlen lassen? Unbedingt eine Option.

Während die Nachricht, dass Apple und Facebook ihren weiblichen Angestellten das Einfrieren und die Lagerung von Eizellen finanzieren, in Deutschland eine kritische Diskussion ausgelöst hat, wird es in Amerika vor allem als eins wahrgenommen: eine gute Idee.

In den Abendnachrichten des Senders NBC, der zuerst über die Pläne der Technologiefirmen berichtet hat, nennt Moderator Brian Williams das vom Arbeitgeber finanzierte „egg freezing“ eine bahnbrechende Entwicklung, die das Berufsleben nachhaltig verändern könne. Das Magazin Wired schreibt von „einer weiteren Option für Frauen“, die Bloomberg Businessweek titelte bereits im April: „Befreie deine Eizellen, befreie deine Karriere.“

Vor allen ethischen und moralischen Überlegungen stellt sich die amerikanische Gesellschaft in vielen Lebensbereichen zunächst die Frage nach den Möglichkeiten – und dem eigenen Nutzen. So selbstbestimmt und individuell wie möglich zu leben ist ein Leitgedanke. Warum also nicht die Biologie überlisten, wenn es der eigenen Lebensplanung besser entspricht?

Zwischen 30 und 40

In den USA denken immer mehr Frauen darüber nach, ihren Kinderwunsch aufzuschieben und später mit technischer Hilfe zu erfüllen. Die Zahl der Frauen, die sich über das „egg freezing“ informiert, habe sich in den letzten vier Jahren vervierfacht, sagt Reproduktionsmediziner Dr. Alan Copperman aus New York dem Guardian.

Es scheint Ausdruck der zentralen Frage vieler Frauen in den Jahren zwischen 30 und 40 zu sein: Kinder bekommen oder Karriere machen? Ein gleichberechtigtes Nebeneinander beider Wünsche ist für Frauen in den USA immer noch sehr viel weniger eine Option als in Deutschland oder Skandinavien.

Bezahlten Mutterschutz oder Elternzeit gibt es nicht. Kinderbetreuung ist teuer, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall die Ausnahme und – wenn überhaupt – nur für wenige Tage im Jahr garantiert.

In den USA ist man über den Arbeitgeber versichert. Es ist noch nicht viele Jahre her, da galt als außerordentlich gut versichert, wer eine umfassende Zahnarztvorsorge bezahlt bekam. In einem unglaublich teuren Gesundheitssystem sind die Zusatzleistungen oft entscheidender als das Grundgehalt.

Tickt sie dann leiser?

Viele Frauen könnten sich das Einfrieren ihrer Eizellen niemals leisten: rund 8.000 Euro für die Behandlung, dann noch einmal gut 400 Euro pro Jahr für die Lagerung. Und um möglichst viele Eizellen einfrieren zu lassen, wird das Prozedere oftmals wiederholt. Bereits vor zwei Jahren berichtete die New York Times über Mütter, die ihren Töchtern die Behandlung finanzieren. „Meine Eltern sehen es als Geschenk für mich“, sagt eine von ihnen.

Und wenn das eigene Unternehmen dafür bezahlen würde, umso besser: Die biologische Uhr tickte dann nicht mehr ganz so laut, der Druck, den richtigen Partner für die Familienplanung zu finden, ließe nach, und endlich bliebe dann Zeit für die Karriere.

Dass das Prozedere für Frauen medizinische Risiken birgt und es am Ende keinerlei Garantie dafür gibt, mit 42 oder 44 ein Kind auf die Welt zu bringen, wird in den USA lediglich am Rande diskutiert. Dass das Bezahlen der Behandlung auch den Unternehmen dient, wird akzeptiert. Gelebter Kapitalismus verlangt Arbeitnehmern in den USA von jeher einiges ab. Das Signal könne jedoch sein, dass der aufgeschobene Kinderwunsch keine Option sei, sondern erwartet wird, warnt Anne Weisberg vom unabhängigen Family and Work Institute in der Washington Post.

Doch in dem Land, das mit dem Mythos der unbegrenzten Möglichkeiten wuchert, erscheint das „egg-freezing“ vor allem als weitere Chance, Grenzen zu verschieben. Bezahlt vom Arbeitgeber, der Frauen gleichzeitig befähigt, eine außerordentliche Karriere zu machen. Viele Frauen könnten ihren Arbeitgeber jetzt bitten, dem Beispiel von Apple und Facebook zu folgen, heißt es am Ende des Beitrags von NBC. Es ist die meistgesehene Nachrichtensendung im Land.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.