Einigkeit beim EU-Afrika-Gipfel: Sklaverei ist doof

Einigkeit, wo sonst Dissens herrscht: Der EU-Afrika-Gipfel beschließt eine konzertierte Aktion zur Evakuierung internierter Migranten aus Libyen.

Viele sich freuende Männer

Ein Fußballspiel bietet einen seltenen Glücksmoment in einem Lager in Libyens Hauptstadt Tripolis Foto: Reuters

ABIDJAN taz | Den Sklavenhandel in Libyen beenden – das war der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die Europäische und die Afrikanische Union am Ende ihres zweitägigen Gipfels in Abidjan, der Metropole der Elfenbeinküste, am Donnerstag einigten. Auch die Lösung, die ihnen dazu vorschwebt, ist die denkbar kleinste: In einer konzertierten Aktion sollen zunächst 3.800 Flüchtlinge, die in Lagern in der libyschen Hauptstadt Tripolis festsitzen, ausgeflogen werden. Das verkündeten am Donnerstagmittag die Präsidenten der beiden Organisationen, der Pole Donald Tusk und der Guineer Alpha Condé.

Die Migranten sollen unter anderem nach Niger und Tschad gebracht werden. Auch Ruanda und Nigeria haben angekündigt, Aufnahmeplätze bereit zu stellen. Marokko, das erst voriges Jahr wieder Mitglied der Afrikanischen Union wurde, will die für die Aktion nötigen Flugzeuge stellen.

Die Lage der MigrantInnen in Libyen hatte den Gipfel schon vor Beginn überschattet. Nachdem der Fernsehsender CNN ein Video veröffentlicht hatte, das eine Sklavenauktion in Libyen zeigt, war der Druck vor allem auf die EU gewachsen. Viele AfrikanerInnen machen sie für die Situation mitverantwortlich, weil sie der libyschen Regierung Geld und Ausrüstungshilfe gibt und diese im Gegenzug Flüchtlinge festhält.

Am Mittwochabend hatte in Abidjan der libysche Ministerpräsident Fayis al-Sarraj, der im eigenen Land praktisch machtlos ist, mit den Spitzen von EU und AU sowie den wichtigsten Staatschefs zusammen gesessen. Libyen werde dabei helfen, zu identifizieren, in welchen Lagern sich die „barbarischen Szenen“ auf dem Video abgespielt hätten, sagte Frankreichs Präsident Macron danach.

Al-Sarraj habe zugestimmt, dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) „Zugang zu den Lagern in seinem Machtbereich zu gewähren“, hieß es am nächsten Morgen. Ein zweifelhaftes Zugeständnis – immerhin hatte die EU schon seit Beginn des Jahres verkündet, genau das im Gegenzug für ihre Millionenhilfen für al-Sarraj zu bekommen. Die EU und Italien stockten ihre Libyen-Hilfe am Dienstag nochmal auf 285 Millionen Euro auf.

Gegenseitige Abhängigkeit

Eine neue „Task Force“ aus EU, UN und AU soll nun das Ausreiseprogramm koordinieren, die konkrete Abwicklung wird die IOM übernehmen. Von einer möglichen Militärintervention in Libyen, die Macron zuvor ins Gespräch gebracht hatte, war am Ende des Gipfels keine Rede mehr. Der amtierende AU-Präsident Alpha Condé erinnerte bei der Abschlusspressekonferenz am Donnerstag daran, dass nicht 3.800, sondern zwischen 400.000 und 700.000 afrikanische MigrantInnen in Libyen festsitzen.

Beide Seiten beschworen gleichwohl Gemeinsamkeiten, bemüht, die Differenzen nicht offen zutage treten zu lassen. „Wir sind nicht hierher gekommen um die Afrikaner zu belehren – und die Afrikaner sind nicht gekommen, um sich von uns belehren zu lassen“, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die Zeiten der kolonialen Attitüden seien endgültig vorbei. „Unsere gegenseitige Abhängigkeit war noch nie so stark“, sagte auch der Präsident der Elfenbeinküste, der Gastgeber Alassane Ouattara.

Heraus kam wenig. Eigentlich war der Gipfel der „Jugend“ gewidmet, dies war das offizielle Thema. Doch konkrete Zusagen für sie, gleich welcher Art, gab es keine. Auch ein euro-afrikanisches Erasmus-Programm, dass eine Jugenddelegation der beiden Kontinente gefordert hatte, kommt erstmal nicht. Angela Merkel (CDU) widersprach derweil am Mittwochabend am Rande des Gipfels Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). Der war zur Vorbereitung des Treffens als Vorhut von Merkel nach Abidjan gereist und hatte vorgeschlagen, jedes Jahr „mehrere hunderttausend“ junge Afrikaner zur Berufsausbildung nach Europa zu holen – sofern sie Vorkenntnisse haben und nach drei bis vier Jahren freiwillig zurückkehren.

„Ich bin da erstmal etwas zurückhaltender“, sagte Merkel. Wenn man ins Auge fasse, mit einzelnen Ländern Abkommen zu schließen, müsse zunächst die Nachfrage abgewartet werden. „Ich denke nicht gleich in Hunderttausenden.“ Sie wolle sich nicht auf Zahlen festlegen. „Lassen Sie uns einfach mal starten, dann wäre schon viel gewonnen.“ Von legalen Wege für Arbeitsmigranten aus Afrika nach Europa, die Merkel selbst während ihrer G20-Präsidentschaft ins Gespräch gebracht hatte, wollte sie nun nichts mehr wissen: „Wenn Länder mit uns Rücknahmeabkommen machen, kann man das anbieten“, sagte sie.

„Die Jugend“ muss nun wohl auf den nächsten Gipfel hoffen: Im Februar kommen die Staatsoberhäupter von EU und AU erneut zusammen. In Senegals Hauptstadt Dakar geht es dann um die Finanzierung der Global Partnership for Education.

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