Einreise von taz-Journalistin verweigert: 45 Minuten in Kairo

Unsere Redakteurin wurde zu einer Konferenz des Goethe-Instituts in Kairo eingeladen. Doch am Flughafen verweigerte man ihr die Einreise.

Willkürliche Visa-Politik?: Redakteurin Fatma Aydemir sah auf ihrer Kairo-Reise lediglich den Flughafen. Bild: imago

Fatma?“, fragt mich der Grenzbeamte ganz informell, während er in meinem Reisepass herumblättert.

„Yes?“

„Why are you in Egypt?“

Computer werden immer kleiner und verschmelzen mit uns. Warum lassen wir sie nicht gleich in unsere Körper einbauen? Die Titelgeschichte „Bessere Menschen“ über Cyborgs und ganz gewöhnliche Menschmaschinen lesen Sie in der taz.am wochenende vom 14./15. Dezember 2013. Darin außerdem: Der Generationen verbindende Fernsehabend am Samstag ist tot. Das wird auch Markus Lanz nicht ändern. Warum das gut so ist. Und: Ein Gespräch mit dem Direktor des Zirkus Roncalli über Heimat, Glühbirnen und den Duft der Manege. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Ich erkläre ihm, dass ich an einer Konferenz des Goethe-Instituts in Alexandria teilnehme. Er will wissen, worum es da geht. Ich sage: „Education“ und lasse das „political“ weg. Auf die Frage, warum ich mein Visum nicht vorher bei einer Botschaft beantragt hätte, erkläre ich ihm, dass man mir mitgeteilt habe, ich könne es hier am Flughafen in Kairo beziehen. Dann will er wissen, woher ich diese Information habe, auf eine streng väterliche Art fragt er das, obwohl er kaum 23 sein dürfte. Ich sage: „From the Egyptian embassy.“

Was ist das Problem?

Noch bin ich entspannt, weil ich denke, dass es sich um eine Routinebefragung handelt. Ein Dutzend Menschen verschiedener Nationalitäten haben am selben Schalter, noch vor der Passkontrolle, gegen 15 US-Dollar ein Einreisevisum erhalten. Auch ich bekam eins.

Vom 8. bis 10. Dezember fand im ägyptischen Alexandria die Tagung „Civic Education Conference“ statt. Dort sollten u. a. Abdul-Monem Al-Mashat (Cairo Center for Civic Education) mit Thomas Krüger (Bundeszentrale für politische Bildung) über Demokratie und Toleranz diskutieren. Das Goethe-Institut lud hierzu auch die taz-Kulturredakteurin Fatma Aydemir ein. Ihr wurde jedoch im Gegensatz zu den anderen Vertretern deutschsprachiger Medien die Einreise am Flughafen Kairo verweigert. Im Telefonat mit taz-Chefredakteurin Ines Pohl bedauerte der ägyptische Botschafter in Deutschland den Vorfall. (red)

Doch die anderen haben inzwischen die Passkontrolle passiert.

Ich hingegen soll mich an die Seite stellen und warten, und zwar so, dass mich der junge Grenzbeamte sehen kann, während er die anderen Einreisenden bearbeitet.

Ich solle bloß nicht verschwinden, warnt er mich.

„Politische Bildung im Nach-Revolutions-Ägypten“ lautet das Thema der Tagung in Alexandria, zu der ich vom Goethe-Institut eingeladen wurde. Dort sollen Möglichkeiten erörtert werden, durch politische Bildungsarbeit die Demokratisierung Ägyptens zu befördern. Dass dies dringend notwendig ist, lässt sich schon an der willkürlichen Visa-Politik des Landes ablesen.

Auf der offiziellen Website der Ägyptischen Botschaft in Deutschland steht nämlich Folgendes: „Türkische Staatsangehörige mit gültigem türkischem Reisepass und einem gültigen Aufenthaltstitel in einem der EU-Staaten (Minimum 6 Monate) können das Einreisevisum für einen touristischen Aufenthalt bei ihrer Ankunft auf einem ägyptischen Flughafen oder im Seehafen erhalten.“

Da dies genau auf mich zutrifft und auch weil die Mitarbeiterin von Austrian Airlines mir am Samstagmorgen bei meiner Abreise in Berlin-Tegel dasselbe nochmals bestätigte, kann ich mir nicht erklären, was das Problem ist.

Ein Mann mit Schnauzer, der meinen Reisepass in den Händen hält, kommt auf mich zu und sagt: „Come with me!“

Das wird er noch zehnmal sagen in den folgenden 45 Minuten, in denen er mich in verschiedene Büros mit grimmig guckenden und bewaffneten Männern führen wird.

Auf den Zwischenwegen rufen die Beamtenkollegen dem Schnauzer immer wieder arabische Sprüche zu und lachen. Ich verstehe nur das Wort „Türkei“ und dass es etwas mit mir zu tun hat.

In einer Art Empfangszimmer soll ich mich kurz setzen. Neben mir wartet ein Jugendlicher mit Lederjacke und fragt mich, was los sei. Doch dann muss ich schon wieder dem Schnauzer in eine andere Richtung folgen.

„Come with me!“

In einem kleinen Büro sitzen zwei Männer ganz leger am Tisch und sagen, ich solle mein Handy wieder einstecken. Sie fragen mich, was ich hier wolle. Ich erzähle wieder von der Tagung und dass ich Journalistin sei. Sie wollen wissen, wo die Tagung stattfindet und wer mich eingeladen hat. Ich könne nicht einfach so einreisen, sagt der eine, ich hätte ein Visum beantragen müssen.

Als ich zu erklären versuche, dass ich wohl falsch informiert worden sei, kommen eine Frau und ein Mann, beide hochoffiziell und uniformiert, in den Raum. Plötzlich stehen alle auf. Ich stehe sowieso schon mitten im Raum. Jemand macht eine Handbewegung, der Schnauzer sagt wieder: „Come with me!“

Ich sitze wieder neben dem Jugendlichen mit der Lederjacke. Im Flüsterton übersetzt er mir, dass der Schnauzer und der laute Mann am Empfang planen, mich zurückzuschicken. Ich frage ihn, ob es überhaupt einen Flug gibt. Er nickt und zeigt mit seinem Zeigefinger die Eins. Ich stehe auf und gehe zu dem Schnauzer und dem lauten Mann am Empfang.

Ganz vorsichtig sage ich: „I have a question.“ Der laute Mann grinst und brüllt mich an: „You back! You back!“

Ich zucke mit den Schultern und sage, dass ich trotzdem eine Frage habe. Der Schnauzer sagt, ich solle nicht mit ihm, sondern mit seinem Vorgesetzten sprechen und deutet auf ein Hinterzimmer. Ich mache ein paar Schritte in die Richtung und sehe, dass der Vorgesetzte gerade einen alten schwarzen Mann verhört. Fragend blicke ich zurück zum Schnauzer, er nickt und sagt: „Go, go!“

Ich entschuldige mich für die Störung und melde dem Vorgesetzten meine Frage an. Er nickt. Ich frage, ob seinen Mitarbeitern vielleicht entgangen sei, dass ich einen unbegrenzten Aufenthaltstitel für die EU habe und für mich auch ein Einreisevisum gelte. Sehr höflich und nüchtern antwortet er, es tue ihm leid, aber es gebe ein neues Gesetz.

Kein türkischer Staatsbürger dürfe mehr einreisen ohne ein Visum, das Wochen im Voraus bei der ägyptischen Botschaft beantragt werden müsse. Er könne nichts machen, das sei so. Ich verstehe und verlasse den Raum.

Vor zwei Wochen hatte Ägypten den türkischen Botschafter ausgewiesen, weil Premier Erdogan mit dem für ihn bekannten Feingefühl die Absetzung der Muslimbrüder-Regierung kritisiert hatte.

Auch der ägyptische Botschafter, der bereits im August aus Ankara abgezogen worden war, werde nicht mehr in die Türkei zurückkehren, ließ die Übergangsregierung Ägyptens verlauten. Dass das direkte Konsequenzen für mich haben wird, damit hatte ich nicht gerechnet.

Immerhin sollte man mir ansehen können, dass ich mit den Islamisten nicht unbedingt sympathisiere.

Doch was zählt, ist das Gesetz.

Und Gesetze werden in der Übergangsregierung ohne Verhandlungen beschlossen, auch wenn der Ausnahmezustand längst für beendet erklärt wurde.

Mit einem letzten „Come with me!“ bringt mich der Schnauzer zum Gate und drückt mir Reisepass und Bordkarte in die Hand. Der Flieger, mit dem ich kam, steht zum Abflug bereit und wartet nur auf mich. Ich frage nach meinem Gepäck. Es sei schon im Flugzeug, wird mir mitgeteilt. Später werde ich feststellen, dass mein Koffer durchwühlt wurde und dass mein Schloss fehlt.

Zum Flugzeug begleitet mich ein Sicherheitsangestellter in Neonweste. Er entschuldigt sich bei mir. Die da oben entscheiden jeden Tag etwas anderes, sagt er, da könne man eben nichts machen.

Ich erinnere mich daran, was mir der Comiczeichner Magdy El Shafee eine Woche zuvor per E-Mail geschrieben hatte, als wir uns zum Interview verabredeten: „Ägypten ist ein Teppich, der über dem Balkongeländer hängt. Jeder, der vorbeiläuft, schlägt einmal drauf, und es bildet sich eine universale Staubwolke. Aber wenn der Dreck erst mal weg ist, können wir alle wieder atmen.“

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