Einsatzkritik: Polonaise mit Polizisten

Die Polizei durchsucht die Räume eines linksalternativen Zentrums in Neukölln. Eine spontane Versammlung zeigt ihre Solidarität mit den Durchsuchten.

Die Polizei ist in der Kritik, das linksalternative Zentrum "Friedel 54" in Neukölln mit einem Großaufgebot nicht nur durchsucht, sondern quasi überfallen zu haben. Bild: dpa

Die BesucherInnen des linksalternativen Zentrums „Friedel 54“ in der Friedelstraße 54 in Neukölln gerieten am Dienstagabend in Bedrängnis. Die Polizei war mit einem Großaufgebot in die Räume des Zentrums eingedrungen. Dort Engagierte sprachen sogar davon, dass die Polizei den „Infoladen“ überfallen habe. Laut Polizeisprecher Carsten Müller haben die Beamten aber lediglich drei Tatverdächtige verfolgt, die in das Gebäude geflüchtet seien. Zwei der Männer seien kurz zuvor von Zivilpolizisten dabei beobachtet worden, wie sie Handzettel an Laternen klebten, der Dritte habe gegen die Tür des Polizeiwagens getreten – auch in dem Moment, als einer der Beamten aussteigen wollte. Die Polizei ermittelt in den ersten beiden Fällen wegen Sachbeschädigung, im dritten Fall zusätzlich wegen versuchter Körperverletzung.

Linksalternative Kreise vermuten hingegen, dass hinter dem Polizeieinsatz der gezielte Versuch stecke, antifaschistisches Engagement zu kriminalisieren.

„Ohne offensichtlichen Grund“ sei die Polizei in das Zentrum eingedrungen, heißt es auf der Internetplattform linksunten. In dem Infoladen sollte ab 20 Uhr eine Informations-Veranstaltung zu einer antifaschistischen Kampagne in Sachsen-Anhalt stattfinden. Schon im Vorfeld der Veranstaltung hätten die Zivilpolizisten „durch offensives Abfotografieren des Eingangsbereiches und der sich dort befindlichen Personen“ provoziert, sagten die Leute des Infoladens. Nachdem weitere Einsatzkräfte angerückt sind, sei die Polizei „ohne Vorwarnung“ in das Gebäude eingedrungen.

Das Großaufgebot an Polizeikräften habe sich dadurch ergeben, sagt Polizeisprecher Müller, dass sich über 100 Leute spontan vor Ort versammelt hätten. Die Verstärkung der schon vor Ort befindlichen Beamten sei zur „Sicherung der Durchsuchung“ angefordert worden.

Die Räume des Zentrums wurden schlussendlich auch durchsucht. Gegen 21 Uhr führten Polizeibeamte die Personen, die sich im Zentrum befanden, nach draußen und nahmen ihre Personalien auf. Ein Journalist vor Ort sprach gegenüber der taz von etwa 15 Personen, die ein bis zwei Stunden hinweg vor dem Gebäude festgehalten wurden. Großräumig habe die Polizei den Eingang des Gebäudes mit Fahrzeugen abgeschirmt und so einen Kessel geschaffen.

Begleitet wurde die Polizeiaktion von den rund 100 Menschen, die sich vor Ort spontan versammelten, um ihre Solidarität mit den Festgehaltenen zu demonstrieren. Die Leute des Zentrums sprachen sogar von „mindestens 250“ Leuten. Die Stimmung sei „gelöst“ gewesen, berichteten Anwesende. Von Balkonen hätten Anwohner Musik abgespielt, Versammelte hätten eine Polonaise hinter durch die Menge marschierenden Polizisten gebildet. Alles in allem sei die spontane Demonstration „friedlich“ abgelaufen. Mit „Humor“ habe die Menschenmenge auf die polizeiliche Maßnahme reagiert, so die Leute des Infoladens. Polizeisprecher Müller sagte, dass auch er keine Kenntnis von Komplikationen habe.

Alle festgehaltenen Personen wurden nach Ende des Einsatzes wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Demonstratierenden zogen im Anschluss so schnell wieder von dannen, wie sie gekommen waren.

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