Eklat nach Fraktionsvorstandswahl: Grüne vor der Spaltung

Nach der Niederlage bei der Fraktionschef-Wahl spricht das linke Grünen-Lager dem Realo-Duo die Legimität ab. Seine Positionen will es selbst nach außen vertreten.

Die Frage ist: Wer ist eigentlich "wir"? Grünes Plakat aus dem Wahlkampf Bild: Grüne

So muss das bei der Inquisition gewesen sein: Von Seelenrettung sprechen, aber dabei die Folterinstrumente zeigen. Der linke Grünen-Abgeordnete Dirk Behrendt, der sich am Dienstag bei der Wahl zum Fraktionsvorstand nicht durchsetzen konnte, wies zwar jeden Gedanken an eine Spaltung der Fraktion von sich - "das liegt mir fern." Zugleich aber mochte er das Wahlergebnis nicht akzeptieren und forderte den Rücktritt von Volker Ratzmann oder Ramona Pop, den wiedergewählten Vorsitzenden. Außerdem kündigte Behrendt an, dass das linke Lager im Parlament eigenständig handeln werde, wenn es seine Anliegen nicht berücksichtigt sieht.

Tags zuvor hatte erst die linke Abgeordnete Canan Bayram gegen Pop kandidiert und schon im ersten Wahlgang mit 17 zu 11 Stimmen verloren. Ein Mitglied der 29-köpfigen Fraktion stimmte gegen beide. Danach verlor Behrendt gegen Ratzmann, aber deutlich knapper: Nach einem Patt im ersten Wahlgang konnte sich Ratzmann im zweiten Anlauf nur mit 15 zu 13 Stimmen durchsetzen. Ein Fraktionsmitglied lehnte auch hier beide ab. Das linke Lager hatte zuvor einen Platz in der Doppelspitze für sich beansprucht und erklärt, Pop und Ratzmann hätten nicht die ganze Fraktion repräsentiert.

In bislang einmaliger Form lud Behrendt einen Tag nach seiner Niederlage für den linken Flügel zu einer eigenen Pressekonferenz. "Wir sind der Meinung , dass wir viel zu lange geschwiegen haben", sagte Behrendt, man fühle sich ausgegrenzt. Für die noch zu besetzenden vier weiteren Vorstandsposten wird es nach seiner Darstellung keine Kandidaturen aus dem linken Lager geben. Ein Beleidigte-Leberwurst-Verhalten soll das nicht sein: "Wir wollen weder irgendwie schmollen noch uns verdrücken", sagte Canan Bayram.

Als künftige Strategie gab Behrendt an, man sei "jetzt in der Position, dass wir selber unsere Positionen nach außen vertreten müssen". Als Möglichkeiten sah er das Rederecht Einzelner im Abgeordnetenhaus oder Personenanträge. Dabei sammeln Parlamentarier Unterstützung für ihr Anliegen auch über Fraktionsgrenzen hinweg. "Ich betone aber: Das ist die absolute Ausnahme", sagte Behrendt.

Ratzmann und Pop wiesen die Forderung nach einem Rücktritt zurück und wiederholten ihre Aufforderung an linke Abgeordnete, für den Fraktionsvorstand zu kandidieren. Pop widersprach gegenüber der taz Aussagen von Bayram, sie und Ratzmann hätten bestimmte Themen nicht ausreichend vertretren: "In der vergangenen Legislaturperiode gab es in keiner Frage nennenswerte Auseinandersetzungen in der Fraktion." Während Ratzmann zuvor in einem Radiointerview von einer "veritablen Krise" sprach, vermied Pop diesen Begriff und sah stattdessen nur eine "schwierige Situation".

Der Abgeordnete Benedikt Lux, der lange dem linken Lager angehörte und sich jetzt selbst als "Mitte-links" einordnet, kritisierte die Haltung der Parteilinken. "Jeder Demokrat muss demokratische Wahlen akzeptieren - ich bin ja auch eine unberücksichtigte Minderheit", sagte er der taz. "Es ist politischer Selbstmord, eine Spaltung herbeizuführen." Besorgt zeigten sich die beiden Grünen-Landesvorsitzenden Bettina Jarasch und Daniel Wesener: "Die Wahlen haben große interne Spannungen offenbart. Alte Gräben sind vertieft worden, statt sie zu schließen."

Der langjährige Fraktionschef und heutige Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wieland, der zu Wochenbeginn noch einen Appell der Parteilinken unterstützt hatte, äußerte sich jetzt gegenüber der taz in ausgleichender Weise. "Volker Ratzmann hat die gelbe Karte erhalten, damit muss es gut sein", sagte er zum knappen Ausgang der Vorstandswahl. "Die Linke muss kandidieren und mitarbeiten. Kindergarten ist keine Antwort auf Alleingänge und Selbstherrlichkeit."

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