Empörung über Brennelement-Transport: Atomexport trotz Widerspruch

Ohne vollziehbare Genehmigung wurden Brennelemente von Lingen in ein Schweizer AKW exportiert. Dem Betreiber drohen strafrechtliche Konsequenzen.

Das Atomkraftwerk Leibstadt

In das Schweizer AKW Leibstadt wurden im Dezember zwei Transporte von Brennelementen durchgeführt Foto: Andreas Haas/imago

BERLIN taz | Es ist ein Vorgang, der auch langjährige Beobachter der Atomszene in Deutschland ziemlich überrascht: Aus der Brennelemente-Fabrik im niedersächsischen Lingen sind im Dezember zwei Transporte ins Schweizer AKW Leibstadt durchgeführt worden, obwohl gegen die Exportgenehmigung durch den BUND Widerspruch eingelegt worden war. Über diesen wird derzeit vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt verhandelt.

Nach Auskunft des klagenden BUND Baden-Württemberg hat der Widerspruch aufschiebende Wirkung. Das habe auch das für die Genehmigung zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) im Verfahren erklärt. Damit sei der Export rechtswidrig erfolgt, sagte Stefan Auchter, Geschäftsführer des BUND-Regionalverbands Südlicher Oberrhein, der taz. Er kündigte an, Strafanzeige gegen den Exporteur zu stellen. Nach § 328 des Strafgesetzbuchs drohen beim ungenehmigten Export von Kernbrennstoffen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe.

Die Geschäftsführerin des BUND Baden-Württemberg, Sylvia Pilarsky-Grosch, reagierte mit scharfer Kritik. „Dass Framatome den Ausgang eines anhängigen Verfahrens nicht abwartet, beweist erneut das krude Weltbild des Unternehmens, in dem Gewinnstreben alle berechtigten Bedenken vom Tisch fegt“, erklärte sie.

Der Export von Brennelementen aus Deutschland ist schon länger umstritten. Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, den Export in grenznahe, alte AKWs zu beenden, doch entsprechende Vorstöße des SPD-geführten Umweltministeriums scheitern bisher an der Union. Atomkraftgegner*innen und Verbände versuchen darum derzeit, die Transporte auf juristischem Weg zu stoppen.

Beim belgischen AKW Doel war das Anfang Dezember zunächst gescheitert: Dort entschied der Hessische Verwaltungsgerichtshof, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat. Grund war aber vor allem, dass Einzelpersonen sich nach Auffassung des Gerichts nicht auf das Atomgesetz berufen können, um Schutzinteressen durchzusetzen.

Beim Export ins schweizerische Leibstadt ist die Lage anders: Dort haben nicht Einzelpersonen Widerspruch eingelegt, sondern mit dem BUND ein klageberechtigter Umweltverband. Darum sind die Beteiligten hier von einer aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ausgegangen; auch das Gericht hatte sich entsprechend geäußert. Inzwischen klagt auch gegen die Doel-Exporte mit dem BUND NRW ein Verband, so dass auch hier wieder keine Transporte möglich sein sollten.

„Dass sich ein Unternehmen in so einem sensiblen Bereich so offensiv gegen die Rechtsauffassung der Aufsichtsbehörde und des Gerichts stellt, ist schon bemerkenswert“, meint Anwältin Cornelia Ziehm, die die Doel-Klage geführt hat, zu den jetzt erfolgten Exporten nach Leibstadt. „Vor diesem Hintergrund kann man auch die Frage nach der Zuverlässigkeit des Exporteurs stellen.“

Betreiber der Brennelemente-Fabrik in Lingen ist die Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF), eine Tochter des französischen Atomkonzerns Framatome; diese hatte die Exportgenehmigung nach Leibstadt beantragt. Würde diesem die Zuverlässigkeit aberkannt, könnte er auch keine sonstigen Transporte mehr durchführen, weil diese eine zwingende Voraussetzung für die Erteilung von Exportgenehmigungen ist.

Im Bundesumweltministerium, das in dieser Frage die Aufsichsbehörde des BAFA ist, herrscht Empörung über das Vorgehen des Unternehmens. „Das ist nicht akzeptabel“, sagte Staatssekretär Jochen Flasbarth der taz. Auch er hält den Export für möglicherweise illegal: „Eine Ausfuhr unter Ausnutzung einer nicht vollziehbaren Ausfuhrgenehmigung kann strafrechtlich relevant sein. Das BAFA wird den Vorgang daher zur Prüfung an die Staatsanwaltschaft abgeben“, sagte Flasbarth. Lingen-Betreiber ANF wollte sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen äußern. Man könne „zu einem laufenden Verfahren keine Auskünfte geben“, teilte das Unternehmen mit.

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