Ende Gelände im Verfassungsschutzbericht: Ende Gelände für Systemkritik

Im Verfassungsschutzausschuss wird über die Aufnahme von Ende Gelände Berlin in den VS-Bericht diskutiert. Der VS sieht linksradikale Systemgegner.

Protestierende Menschen mit dem Schild "Sxstem change not climate change"

Anti-Kohle-Protest in Berlin mit eindeutiger Botschaft Foto: dpa

BERLIN taz | Die Einstufung der Berliner Ortsgruppe des Klimaschutzbündnisses Ende Gelände (EG) im Verfassungsschutzbericht des Landes als „linksextremistische Organisation“ hatte am Mittwoch im Verfassungsschutzausschuss ein Nachspiel. „Ich möchte ausdrücklich klarstellen, dass die Klimabewegung keine verfassungsfeindlichen Ziele verfolgt und deshalb nicht durch den Verfassungsschutz (VS) beobachtet wird“, so VS-Präsident Michael Fischer zu Beginn der Sitzung.

Ende Gelände in Berlin sei jedoch eine „Ausgründung der Interventionistischen Linken (IL)“, einem postautonomen Bündnis, das in den VS-Berichten seit jeher einen Stammplatz hat. „Linksextremisten“ würden somit versuchen, an die Klimabewegung „anzudocken“. Als Beispiel nannte er einen Tweet von EG Berlin, in dem es hieß: „System change not climate change.“

Der Innenpolitiker der Linken, Niklas Schrader, antworte: „Das kann nicht wirklich ernst gemeint sein.“ Ihm zufolge sei die Auseinandersetzung mit der Frage des Wirtschaftssystems zwangsläufige Folge der Beschäftigung mit Klimaschutz. Die Einstufung von Ende Gelände durch den VS sei keine „neutrale Analyse, sondern eine politische Aussage“ sowie „eine Delegitimierung des ganzen Bündnisses“.

Die Grünen-Abgeordnete June Tomiak sah das ähnlich: „Das System zu ändern ist nicht negativ.“ Dies als Beweis für die Verfassungsfeindlichkeit heranzuziehen, sei „relativ dünn“. SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber sagte: „Ich finde gut, dass wir die Debatte um EG angestoßen haben“ – schließlich komme niemand „einfach so“ in den VS-Bericht. Vertreter von CDU und FDP unterstützten die Aufnahme von EG in den Bericht.

Grundlegende Systemablehnung?

In seiner Reaktion ging Fischer erstmals näher ins Detail, auf welche Erkenntnisse seine Behörde die Beurteilung stütze. Er zitierte aus mehreren Strategiepapieren der IL aus den Jahren 2016 bis 2018, in denen EG als eigener Erfolg geführt werde, weil es gelungen sei, viele jungen AktivistInnen Erfahrungen mit zivilem Ungehorsam zu vermitteln.

Ebenso versuchte er zu belegen, dass es der IL auf eine „grundlegende Änderung des politischen Systems in Deutschland“ ziele, wie es Fischer nannte. Als Beispiel nannte er einen Artikel von zwei VertreterInnen der EG-Pressegruppe 2017 in der Jungle World. Darin heißt es: „Gemeinsam wollen wir Deutschland runterfahren.“

Das Bündnis Ende Gelände hatte scharf reagiert: „Gerade in Zeiten von rassistischen Morden wie in Hanau und Halle und deren Vernachlässigung durch die Behörden wird klar, dass der Verfassungsschutz eben nicht dem Schutz von Grundrechten dient.“ Die Behörde gehöre „abgeschafft“.

Kurz nach der Ausschusssitzung am Mittwoch trendete #SystemChangeNotClimateChange auf Twitter, nachdem EG dazu aufgerufen hatte. Die Grüne Jugend, Fridays for Future und viele andere schlossen sich an. In Berlin hatten die Jugendorganisationen von Rot-Rot-Grün zuvor geschrieben: „Der VS verwechselt wieder einmal Antikapitalismus mit Demokratiefeindlichkeit und setzt Demokratie und Kapitalismus gleich. Dieser Gleichsetzung erteilen wir eine klare Absage.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.