Ende eines Aufbruchs: Was vom Regieren übrig bleibt

Seit 2009 bestimmen CDU und FDP in Schleswig-Holstein mit einer nicht verfassungskonformen Mini-Mehrheit. Was haben sie erreicht, was würde eine Nachfolgeregierung wieder rückgängig machen?

"Überall Haushaltszwänge!" SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig übt schon mal für die Zeit nach Schwarz-Gelb. Bild: dpa

Die selbst ernannte "Koalition des Aufbruchs" hatte sich viel vorgenommen: acht Kapitel, von Finanzen bis Europa, umfasste der Koalitionsvertrag von CDU und FDP vom Herbst 2009. Der Aufbruch dauerte indes nicht lange. Erst verlor die FDP einen Abgeordnetensitz an die Linke - ein vergessener Stapel Stimmzettel in einem nordfriesischen Wahllokal sorgte für die Korrektur des Ergebnisses -, dann erklärte das Verfassungsgericht die Zusammensetzung des Kieler Parlaments insgesamt für fehlerhaft.

Da die nächste Wahl in den Mai 2012 vorgezogen wird, blieben Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) und seinem schwarz-gelben Kabinett nur zweieinhalb Jahre. Was gelang, was bleibt?

Die Finanzen und die Haushaltskonsolidierung waren Kernthema von Schwarz-Gelb und sollten im jetzt beginnenden Wahlkampf wieder "das Pfund dieser Regierung" sein, so CDU-Landeschef und Spitzenkandidat Jost de Jager. So schrieb Schleswig-Holstein als erstes Bundesland eine Schuldenbremse in die Landesverfassung, der alle Fraktionen bis auf die Linke zustimmten. Dem Spardiktat muss sich auch jede künftige Regierung beugen.

Umstritten ist aber, wo und wie gespart wird. Am Doppelhaushalt für 2011/12 kritisierte die Opposition die Kürzungen im Sozialbereich, etwa beim Blindengeld oder bei Mädchentreffs. "Nach der Wahl muss wieder in sozialer Verantwortung gehandelt werden", fordern SPD-Abgeordnete aus Lübeck, wo eines von zwei Frauenhäusern schließen muss.

Die SPD liegt in den derzeitigen Umfragen mit über 30 Prozent endlich mal wieder gleichauf mit der CDU. Dass aber eine neue Regierung die Kürzungen zurücknimmt, ist aufgrund der Haushaltslage praktisch ausgeschlossen. Deshalb sind die Grünen, die nach der jüngsten Umfrage bei 17 Prozent lagen, eher zurückhaltend, was Zusagen angeht, und einige Fraktionsmitglieder schütteln den Kopf über die verbale Großzügigkeit der Sozialdemokraten.

Einen weiteren Vorstoß gab es beim Bankwesen: Das von CDU und FDP durchgesetzte Sparkassengesetz erlaubt öffentlich-rechtlichen Banken anderer Bundesländer, sich bei den kommunalen Kassen im Norden einzukaufen, die dadurch wieder flüssig werden. Kritiker sehen aber die Gefahr, dass Privatbanken sich einklagen, im schlimmsten Szenario könnte das gesamte öffentlich-rechtliche Bankenwesen in Gefahr geraten.

Die Kritik des SPD-Landeschef Ralf Stegner fiel zuletzt dennoch vergleichsweise schwach aus: Es sei "ärgerlich", sagte er beim Besuch einer Sparkasse im November. Denn einfach wieder aufheben lässt sich die Regelung nicht, schließlich haben Kassen im Land bereits neue Partner aufgenommen. Nur wenn tatsächlich erfolgreich geklagt würde, müsste rückabgewickelt werden.

Der Alleingang der Kieler Landesregierung beim Glücksspiel sorgt für Schlagzeilen. Sponsorenverträge werden geschlossen, erste Spielanbieter siedeln sich in Schleswig-Holstein an - für Schwarz-Gelb eine Gelegenheit, SPD-Politikern Doppelmoral vorzuwerfen. Die SPD will zwar das Gesetz aufheben, sollte sie nach der Landtagswahl regieren. Aber der SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig verhandelt in seiner Eigenschaft als Kieler Oberbürgermeister mit Wettanbietern über Sponsoring für die Kieler Woche. Und der Lübecker Landtagsabgeordnete Wolfgang Baasch musste seinen Sitz im Aufsichtsrat des Fußball-Viertligisten VfB Lübeck räumen, nachdem er im Landtag vehement das neue Glücksspielgesetz kritisiert hatte, - aus Rücksicht auf den neuen Namenssponsor des Lübecker Stadions, das Zocker-Portal Pokerstars.de. Die Ansiedlung von Wett-Unternehmen wird eine künftige Regierung ohnehin nicht verhindern können: Die Lizenzen, die Schwarz-Gelb im Zeitfenster zwischen Inkrafttreten des neuen Gesetzes im Januar und der Wahl im Mai noch schnell vergeben will, sollen für mehrere Jahre gelten.

Frieden hatte Schwarz-Gelb den Schulen versprochen. Doch es gab ständig Streit: Lehrer sollten mehr arbeiten, sie wehrten sich mit einem Streik, für den Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) Abmahnungen verteilte.

Für weitere Unruhe sorgte Klugs Plan, den Gymnasien freizustellen, ob sie das Abitur nach acht oder neun Jahren anbieten. Für den SPD-Bildungsexperten Martin Habersaat waren bereits die zu Zeiten der großen Koalition auf Wunsch der CDU eingerichteten Regionalschulen ein "unnötiger Umweg". Die SPD stehe für die Idee des längeren gemeinsamen Lernens mit Abitur nach acht Jahren in Gymnasien und neun an Gemeinschaftsschulen.

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