Energiewende beschleunigen: Ökonom will regionale Strombörsen

Ein regionales Strompreismodell soll etwa für süddeutsche Bundesländer den Anreiz stärken, den Netzausbau voranzubringen. Doch es gibt ein Problem.

Strommasten auf dem Land

Der Netzausbau ist einer der umstrittenen Punkte der Energiewende Foto: dpa

KIEL dpa | Der Ökonom Gabriel Felbermayr hat ein regionales Strompreismodell zur Beschleunigung der Energiewende ins Spiel gebracht. „Bislang gibt es für süddeutsche Bundesländer schlicht keinen ökonomischen Anreiz, den Netzausbau voranzubringen“, sagte der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel der Deutschen Presse-Agentur.

Die Etablierung regionaler Strombörsen könne spürbar niedrigere Preise für Windstrom bewirken und ihn damit wettbewerbsfähiger machen. Derzeit mache es ökonomisch für den Süden Deutschlands wenig Sinn, Ökostrom aus den windstarken norddeutschen Küstenländern zu importieren, sagte Felbermayr.

Der deutschlandweite Grundpreis für Strom wird an der Leipziger Strombörse festgelegt. Hinzu kommen die Lieferkosten (Netzentgelte).

„Wir haben im Norden Windstrom im Überfluss, und er ist dennoch nicht billiger“, sagte Felbermayr. Dank der Netzentgelte sei der Ökostrom aus Norddeutschland sogar besonders teuer. „Schleswig-Holstein ist ein Überschuss-Land mit besonders hohem Strompreis. Das ist grotesk.“ Damit sich der Überschuss auch in niedrigeren Preisen niederschlage, könnte die Politik den Strompreis regionalisieren mit Hilfe einer norddeutschen Strombörse.

Nach Ansicht von Felbermayr haben die Nordländer „etwas Nachholbedarf, die eigenen Interessen“ auf diesem Gebiet umzusetzen. „Es ist durchaus eine Option, hier ein bisschen muskulöser aufzutreten und zu sagen: Der Norden lässt sich das nicht mehr bieten“, sagte Felbermayr.

Verfassungsrechtliche Hürden

Er räumte ein, dass einem regionalen Strompreis verfassungsrechtliche Hürden im Weg stünden, da sonst der Grundsatz gleichwertiger Lebensverhältnisse missachtet werde. Im Zweifelsfall müsse es die Landesregierung auch auf eine Verfassungsklage ankommen lassen. Allein die Drohung, einen regionalen Strompreis zu etablieren, könne aber „eine gewisse Dynamik auslösen und zu einer guten Verhandlungsposition führen“.

Felbermayr mahnte angesichts des absehbar steigenden Strombedarfs in Deutschland durch E-Mobilität und Digitalisierung einen rascheren Aufbau der erneuerbaren Energien an. „Wir brauchen überall Strom, und ein hoher Strompreis wird in Deutschland immer mehr zu einem Bremser für Wettbewerbsfähigkeit.“ Dabei stelle sich die Frage, wie viel mehr Windstrom an Land in Deutschland noch möglich sei. „Viele Gegenden in Deutschland sind ja schon mit Windrädern vollgestellt, und die Akzeptanz der Bevölkerung für weitere Anlagen sinkt.“

Der Ökonom hält es für sinnvoller, stärker als bisher auf Stromimporte zu setzen und verweist auf ein dänisches Offshore-Projekt, das mit Investitionen von etwa 30 Milliarden Euro auf See Windstrom für zehn Millionen Haushalte erzeugen soll. „3.000 Euro pro Haushalt sind keine gigantische Summe, aber Deutschland hat diese Offshore-Flächen nicht.“ Deshalb müsse das Land neben Erdgas, Erdöl und Steinkohle auch stärker sauberen Strom importieren – beispielsweise Windstrom aus der Nordsee.

Der Umstieg von fossilen auf regenerative Energieträgern kann nach Ansicht von Felbermayr nur gelingen, wenn der Preisanstieg für Strom und Wärme halbwegs moderat gehalten werden kann. „Zu versuchen, die Energiewende nur mit nationaler Kraftanstrengung zu stemmen, kann am Ende volkswirtschaftlich sehr teuer werden.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.