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Enquete-Kommission zu Corona22 Monate für Selbstkritik

Ist Deutschland für die nächste Pandemie gerüstet? Die Corona-Enquete-Kommission zur Aufarbeitung ist nun erstmals zusammengekommen.

Übertriebene Maßnahme während der Corona-Pandemie: Berlin im März 2020, die Polizei schickt Menschen, die sich im Park befinden nach Hause Foto: Karsten Thielker

Berlin taz/epd/dpa | Rund fünfeinhalb Jahre nach dem Ausbruch der Coronapandemie und zweieinhalb Jahre nach dem Auslaufen der letzten bundesweiten Coronaneschränkungen soll im Bundestag eine systematische Betrachtung der damaligen Vorgänge beginnen. Die Enquete-Kommission „Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse“ hat nach ihrer Konstituierung am Montag rund 22 Monate Zeit, um unter anderem das staatliche Krisenmanagement zu untersuchen.

Die Aufarbeitung solle sehr gründlich sein

Julia Klöckner (CDU), Bundestagspräsidentin

Enquete ist französisch für „Untersuchung“. Gegen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der sich vor allem den umstrittenen Maskendeals von Jens Spahn widmet, damals Gesundheitsminister und inzwischen Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag, hatten sich sowohl CDU/CSU als auch SPD ausgesprochen.

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), die eine Befragung zu den Maskendeals im Bundestag selbst gekippt hatte, formulierte ihre Erwartungen an das Gremium dennoch unerwartet umfassend: Die Aufarbeitung solle „sehr gründlich sein, sie soll transparent sein und sie soll vor allen Dingen auch selbstkritisch sein“, so Klöckner. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) fand nicht weniger gewichtige Worte: „Aufarbeitung schafft die Chance, Menschen zurückzugewinnen, die Vertrauen in die Demokratie verloren haben.“

Im Gegensatz zu einem Untersuchungsausschuss ist eine Enquete-Kommission nicht vordergründig auf die Aufarbeitung von politischen Missständen ausgerichtet, verfügt über weniger Untersuchungsrechte und besteht nicht nur aus Abgeordneten, sondern zur Hälfte aus externen Expert*innen.

Zuletzt wurden diese Art von Arbeitsgruppen auf Bundesebene zur Aufarbeitung des Afghanistaneinsatzes sowie zu den Potenzialen von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz eingesetzt. In den zurückliegenden Jahrzehnten gab es Enquete-Kommissionen zur Lage der Psychiatrie, zum Umgang mit der Aids-Epidemie und zu den Lehren aus der SED-Diktatur.

Zwischen Bürgerbeteiligung und Verschwörungsideologin

Die Corona-Enquete-Kommission ist besetzt mit 14 Bundestagsabgeordneten und 14 von den Fraktionen benannten externen Expert*innen. Vorsitzende ist die CDU-Politikerin Franziska Hoppermann, sie sitzt seit 2021 im Bundestag und ist seit Kurzem Bundesschatzmeisterin ihrer Partei. „Wir wollen verstehen, nicht verurteilen“, so Hoppermann über ihren neuen Job.

Da sich die Sitze nach der Fraktionsstärke bemessen, ist auch die AfD mit drei Bundestagsabgeordneten vertreten. Sie schickt unter anderem einen wegen Corona-Soforthilfen-Betrugs verurteilten Abgeordneten und eine als Verschwörungsideologin bekannte Abgeordnete in die Kommission.

Das Gremium kann Sachverständige, In­ter­es­sen­ver­tre­te­r*in­nen und Betroffene in öffentlichen Sitzungen anhören und Gutachten in Auftrag geben. Auch Bür­ge­r*in­nen sollen „insbesondere durch öffentliche Formate“ zu Wort kommen können. Beleuchtet werden soll eine Reihe von Aspekten: das Krisenmanagement mit den Bund-Länder-Runden der Ministerpräsidentenkonferenz, Krisenstäben und der Einbindung wissenschaftlicher Expertise; der rechtliche Rahmen und die parlamentarische Kontrolle; die Maßnahmen gegen die Virus-Ausbreitung mit Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, Ältere und Sterbende, Impfungen und das Beschaffen von Schutzausrüstung wie Masken und Tests; Hilfen für Firmen und den Arbeitsmarkt; Folgen für Kultur und Tourismus.

Der Abschlussbericht der Corona-Enquete-Kommission muss bis Ende Juni 2027 vorliegen.

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