Enteignungs-Debatte in Berlin: Kampfansage an den Senat

Wie wird der erfolgreiche Volksentscheid umgesetzt? Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ stellt ihre Pläne vor.

Menschen auf einer Demonstration tragen ein Banner von Deutsche Wohnen und Co. enteignen

Ein klare Wahlsieger vom 26. September: die Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen Foto: dpa

BERLIN dpa/taz | Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ erhöht den Druck auf den rot-grün-roten Senat. Genau einen Monat nach der Vereidigung der neuen Berliner Landesregierung hat sie am Freitag zahlreiche Forderungen präsentiert mit ihren Vorstellungen zur Arbeit der von Rot-Grün-Rot geplanten Expertenkommission. Unter anderem verlangt sie, die Mehrzahl der Mitglieder besetzen zu dürfen, die Kommissionstreffen öffentlich zu gestalten und Vertreter „profitorientierter Wohnungsunternehmen“ außen vor zu lassen.

Beim Volksentscheid parallel zur Abgeordnetenhauswahl Ende September hatten gut 59 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen in Berlin gestimmt. Entsprechend will die Initiative 59 Prozent der Kommissionsmitglieder vorschlagen, wie sie am Freitag in Berlin mitteilte. Das heiße aber nicht, dass 59 Prozent der Plätze mit deren Mitgliedern besetzt werden sollten, sagte Kalle Kunkel vom Koordinationskreis der Initiative.

Der Umgang mit dem Ergebnis des Volksentscheids ist ein heikles Thema für den neuen Senat. Im Wahlkampf hatte sich die Linke klar hinter die Ziele der Initiative gestellt, die damalige SPD-Spitzenkandidatin und jetzige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hatte sich genauso deutlich gegen Enteignungen ausgesprochen. Die Positionen lagen so weit auseinander, dass sie als unvereinbar erschienen. Bei den Koalitionsverhandlungen hat sich Rot-Grün-Rot darauf verständigt, eine Expertenkommission solle zunächst Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des Volksbegehrens prüfen.

„Als Initiative haben wir ausgiebig und auch kontrovers darüber diskutiert, ob wir uns überhaupt an so einer Kommission beteiligen würden“, sagte Kunkel. „Kommissionen können auch Orte sein, an denen viel geredet wird, ohne dass Ergebnisse rauskommen.“ Es bestehe durchaus die Gefahr, dass Teile des Senats die Kommission dazu nutzen wollten, um die Initiative auszubremsen und um den erfolgreichen Volksentscheid am Ende doch noch beerdigen zu können. „Trotzdem haben wir uns entschieden, dass wir an der Kommission mitarbeiten wollen.“

Allerdings nur unter Bedingungen: Dazu zählt laut Kunkel, dass es in der Kommission keine Vertreter profitorientierter Wohnungskonzerne geben dürfe – und auch keine, die eng mit ihnen verbandelt seien. „Es ist ja völlig klar, dass die nicht konstruktiv mitarbeiten werden, wenn es darum geht zu vergesellschaften.“ Die Kommissionsmitglieder sollen nach dem Willen der Initiative eine Aufwandsentschädigung erhalten – ausgenommen Mitglieder des Senats oder des Abgeordnetenhauses.

Constanze Kehler

„Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt zur Vergesellschaftung. Und an diesem Vorschlag soll sich die Kommission entlanghangeln.“

Die Geschäftsstelle der Kommission soll nach Vorstellung der Initiative bei der Justizverwaltung eingerichtet werden, an deren Spitze die Senatorin der Linke Lena Kreck steht. Kunkel sagte, die Initiative müsse an der Geschäftsstelle beteiligt werden.

„Maximale Transparanz“ gefordert

Constanze Kehler, ebenfalls aus dem Koordinierungskreis der Initiative, sagte, die Arbeit der Kommission dürfe nicht in irgendwelchen Hinterzimmern stattfinden. „Wir fordern maximale Transparenz.“ Die Treffen der Kommission müssten öffentlich sein und protokolliert werden, die Protokolle öffentlich zugänglich gemacht werden. Zu diesem Zweck schlägt die Initiative eine Webseite vor, auf der Gutachten, Diskussionen und Protokolle dokumentiert werden sollen.

„Wir wollen wirklich nicht mehr länger über das Ob der Vergesellschaftung reden, sondern über das Wie“, sagte Kehler. „Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt zur Vergesellschaftung. Und an diesem Vorschlag soll sich die Kommission entlanghangeln und kann an einzelnen Stellen Verbesserungsvorschläge entwickeln.“ Die Initiative habe ihre Ansprüche an die Kommission vorgelegt. „Die können sich jetzt Frau Giffey und Herr Geisel gründlich durchlesen und auch endlich mit der Arbeit anfangen.“

Der Mietenwahnsinn gehe jeden Tag weiter, sagte Kehler. Deshalb müsse das Gespräch über die Ausgestaltung der Kommission möglichst bald beginnen. „Der Ball liegt jetzt bei Frau Giffey und Herrn Geisel.“ Die Initiative erwarte eine Einladung von der Regierenden Bürgermeisterin und dem neuen Senator für Stadtentwicklung.

Ein Sprecher von Senator Andreas Geisel (SPD) teilte am Freitag mit, es gelte, was im Koalitionsvertrag vereinbart worden sei: „Der Senat beschließt über die Einberufung, Beauftragung und Besetzung der Expertenkommission.“ Die Stadtentwicklungsverwaltung sei die zuständige Fachverwaltung. „Senator Geisel wird dem Senat innerhalb der ersten 100 Tage einen entsprechenden Vorschlag machen.“

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