Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts: Auch Katholiken haben Rechte

Eine Klinik durfte einem Chefarzt nicht wegen seiner zweiten Heirat kündigen. Das Bundesarbeitsgericht beanstandet diese Benachteiligung.

Ein Holzkreuz an einer Wand

Manchmal liegen Einrichtungen der katholischen Kirche mit dem Rechtsstaat über Kreuz Foto: Christian Ohde

Ein katholisches Krankenhaus darf einen katholischen Arzt nicht zur Beachtung des strengen katholischen Eheverständnisses zwingen, wenn dies von evangelischen oder konfessionslosen Ärzten nicht verlangt wird. Dies entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht. Damit hatte die Klage eines Chefarztes aus ­Düsseldorf Erfolg, der sich gegen seine Kündigung gewehrt hatte (Az.: 2 AZR 746/14).

Der Mediziner arbeitet als Chefarzt am katholischen Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf. Nachdem sich seine erste Ehefrau 2005 von ihm getrennt hatte, heiratete er 2008 eine Assistenzärztin. Daraufhin kündigte ihm die Klinik. Das Eingehen einer – nach katholischem Verständnis ungültigen – zweiten Ehe sei ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß. Für die Kirche sei die Ehe heilig und unauflöslich. Doch nur katholische Ärzte hatten solche Klauseln in ihrem Arbeitsvertrag.

Der Chefarzt klagte gegen die Kündigung und hatte zunächst ­Erfolg. 2011 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass die Entlassung rechtswidrig war. Allerdings hob das Bundesverfassungsgericht 2014 das BAG-Urteil wieder auf. Die Arbeitsrichter hätten das Selbstbestimmungsrecht der katholischen Kirche nicht genug beachtet.

Das BAG legte den Fall anschließend dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Im September 2018 ­entschied der EuGH, dass kirchliche Sozialeinrichtungen nur dann von ihren Beschäftigten verlangen ­können, dass sie sich „loyal“ im Sinne des „Ethos“ der Kirche ver­halten, wenn es sich um „wesentliche“ berufliche Anforderungen handelt.

„Überfällig und wegweisend“

In der neuen BAG-Verhandlung argumentierte jetzt der Anwalt des Krankenhauses, Burkhard Göpfert, dass ein Arzt mit den Patienten ­täglich „Gespräche über Leben und Tod“ führe; dies sei eng mit dem katholischen Ethos verbunden. Norbert H. Müller, der Anwalt des Klägers, widersprach. „Ein Chefarzt hat vor allem Leitungsaufgaben. Die Behandlung von Patienten ist nur eine von 27 Aufgaben.“

Das Krankenhaus kann noch Verfassungsbeschwerde einlegen, müsste dann aber geltend machen, dass der EuGH mit seinem Eingriff in die Selbstbestimmung der Kirchen den unantastbaren Kerngehalt des Grundgesetzes verletzt hat

Das BAG entschied nun, dass jedenfalls die Vermeidung einer zweiten Heirat keine wesentliche beruf­liche Anforderung an einen Chefarzt darstelle. Von einem katholischen Chefarzt durften in diesem Punkt keine anderen Loyalitätspflichten im Privatleben verlangt werden als von evangelischen oder konfessionslosen Ärzten. Im konkreten Fall lag also kein wirksamer Kündigungsgrund vor, so das BAG.

Das zuständige Erzbistum Köln will zunächst das schriftliche Urteil abwarten. Die Gewerkschaft Verdi lobte die Entscheidung dagegen sofort als „überfällig und wegweisend“.

Der Chefarzt kann am Vinzenz-Krankenhaus weiterarbeiten. Das Krankenhaus kann noch Verfassungsbeschwerde einlegen, müsste dann aber geltend machen, dass der EuGH mit seinem Eingriff in die Selbstbestimmung der Kirchen den unantastbaren Kerngehalt des Grundgesetzes verletzt hat. Das wäre wohl aussichtslos.

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