Entscheidung über das Paritätsgesetz: Ignorantes Thüringer Gericht

Am Thüringer Parité-Gesetz zeigt sich wieder einmal: Entscheidend ist nicht der Wortlaut einer Verfassung, sondern ihre Interpretation.

Mehrer Frauen mit einem Banner, auf dem "Männer fürchtet euch nicht" steht.

Der Landesfrauenrat Thüringen demonstriert vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof Foto: Martin Schutt/dpa/picture alliance

„Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Das Land, seine Gebietskörperschaften und andere Träger der öffentlichen Verwaltung sind verpflichtet, die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen des öffentlichen Lebens durch geeignete Maßnahmen zu fördern und zu sichern.“ Eigentlich ist dieser Auftrag, wie er in der Thüringer Landesverfassung steht, eindeutig.

Doch nach Ansicht des Thüringer Verfassungsgerichts ist er nicht geeignet, eine Quotenregelung für Thüringer Landtagswahlen zu rechtfertigen. Es fehle, so heißt es, eine ausdrückliche Erwähnung von quotierten Wahllisten. Wenn es nach dem Thüringer Verfassungsgericht ginge, müssten Verfassungen jedes umstrittene Projekt ausdrücklich erwähnen und sähen dann aus wie ein Koalitionsvertrag. Eine abwegige Vorstellung.

Aber es zeigt wieder einmal: Entscheidend ist nicht der Wortlaut einer Verfassung, der hier ungewöhnlich deutlich ist. Entscheidend ist die Interpretation der Verfassung durch das jeweilige Verfassungsgericht. In Thüringen hielt eine klare Mehrheit der RichterInnen das Paritätsgesetz für verfassungwidrig. In Brandenburg kann das in wenigen Wochen ganz anders aussehen.

Allerdings sollten solche Paritätsgesetze auch nicht überbewertet werden. Sie regeln nur die Landeslisten. Sie erfassen nicht die Direktmandate, die in Deutschland die Hälfte des Bundestag und auch der meisten Landtage ausmachen – in Baden-Württemberg etwa gibt es gar keine Parteilisten.

Wenn in den Wahlkreisen überwiegend Männer gewählt werden, dann kann auch ein Paritätsgesetz kein hälftig mit Männern und Frauen besetztes Parlament garantieren. Doch auch hierfür gibt es eine Lösung: Wenn die Zahl der Wahlkreise halbiert wird, könnte in jedem Wahlkreis ein Tandem aus Mann und Frau gewählt werden. In Frankreich wird dies bereits mit Erfolg praktiziert. In Thüringen hätte das Verfassungsgericht zwar sicher auch damit ein Problem. Doch zum Glück ist das Thüringer Verfassungsgericht nur für Thüringen zuständig.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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