Entscheidung zur Privatsphäre im Netz: Echtes Vergessenwerden ist Illusion

Der Europäische Gerichtshof zwingt Google, bestimmte Daten von Franzosen in der EU nicht zu zeigen. Doch globales Link-Entfernen ist keine Lösung.

Google-Schriftzug

Konzern mit Elefantengedächtnis: Google Foto: Lu Liang/Imaginechina via ZUMA Press/dpa

Auf den ersten Blick erscheint es mehr als merkwürdig, wenn eine grenzenlose Kommunika­tionsplattform wie das Web von juristischer Seite in die Schranken gewiesen wird. So auch im Fall der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, der den Suchmaschinenanbieter Google dazu zwingt, bestimmte Informationen französischer Bürger*innen nicht mehr anzuzeigen. Und zwar nur auf den europäischen Versionen der Suchmaschine. Aber nicht weltweit.

Dabei steht das Internet wie keine andere Plattform für Teilhabe an Informationen, die global verfügbar sein sollen. Doch zugleich schützt die EU-Datenschutzgrundverordnung stärker als je zuvor die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen, über den Daten digital verfügbar sind. Die EU-Richter machen mit ihrer aktuellen Entscheidung wieder einmal deutlich, wie ­schmal der Grat zwischen Privatsphäre und Meinungsbildung ist. Genau deshalb gilt es abzuwägen, wenn es um die Veröffentlichung privater Details geht.

Wer Verbindungen in einschlägige extremistische Szenen hatte, fanatischen Sektenführern anhing oder gar mit dem Vorwurf sexueller Übergriffe konfrontiert war, will natürlich nicht, dass diese Informationen zeitlich unbegrenzt nachzulesen sind. Der Aufschrei Einzelner nach dem endgültigen Löschen solcher heikler Details ist also verständlich.

Allerdings ist das globale Entfernen von fraglichen Links keine Lösung. Zu groß ist die Gefahr, dass autoritäre Regime sich solche Rechtsgrundlagen zunutze machen. Auf diese Weise könnten Berichte von Oppositionellen ganz leicht verschwinden. Oder auch Missstände, verursacht von Unternehmen, wären so für die meisten Internetnutzer*innen nicht mehr auffindbar. Damit sind nicht Verleumdungen oder Falschmeldungen gemeint, sondern Berichte über Repression oder Korruption. Fakt bleibt aber, dass auch gelöschte Links mit ein paar Tricks wieder aufzufinden sind. Ein echtes Vergessenwerden im Netz ist schlicht nicht möglich.

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Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort.

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