Entwickler von Hitlers Wunderwaffe: V2-Erfinder als Namenspatron

Im bayerischen Friedberg steht eine der letzten beiden Schulen mit dem Namen des umstrittenen Ingenieurs Wernher von Braun. Lokalpolitikerinnen wollen das ändern.

Wernher von Braun, Ingenieur, SS-Sturmbannführer, wechselte knapp vor Kriegsende zu den Amerikanern und entwarf fortan Raketen für die USA Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Wenn Jacoba Zapf von der einstigen Schule ihres Sohnes spricht, fällt ein Satz immer wieder: „Ich verstehe es nicht.“ Ihr Sohn ging auf eine der zwei deutschen Schulen, die nach einem Mann benannt sind, der in einem Atemzug mit der Mondlandung genannt wird – und mit der Rakete V2: Wernher von Braun.

Jacoba Zapf will das ändern. V2 steht für "Vergeltungswaffe", von Braun war fast bis Kriegsende 1945 Adolf Hitlers Raketenbauer. Nach diesem Mann Schulen zu benennen - unmöglich, findet Zapf. Gemeinsam mit Mitstreiterinnen des überparteilichen Frauenkreises Aichach-Friedberg hat die lokalpolitisch engagierte Bürgerin eine Onlineumfrage gestartet – ein eher ungewöhnliches Mittel in der bayerischen Kommunalpolitik.

Dass das Gymnasium immer noch so heißt, obwohl sich andere Schulen längst von diesem Namen getrennt haben, ist kein Zufall, sondern Ergebnis jahrelanger Debatten. In den 90ern wurde bekannt, dass im Konzentrationslager Mittelbau-Dora, einem Außenlager von Buchenwald, zur Herstellung der V2 Zwangsarbeiter ausgebeutet wurden. 12.000 von ihnen mussten ihr Leben lassen. Es gibt mehrere indirekte Belege, dass er davon wusste, sowie direkte, dass er bereits 1938 in die NSDAP und 1940 in die SS eingetreten war und Buchenwald besucht hatte.

Damals, vor über 15 Jahren, gab es in Friedberg nahe Augsburg die erste Debatte. Der Antrag auf Namensänderung wurde abgelehnt. Knapp fiel die Entscheidung für „die Beibehaltung des umstrittenen Namens unter neuem Vorzeichen“ aus, wie es Schulleiter Bernhard Gruber ausdrückt – verbunden mit der selbst auferlegten Pflicht, den Namen als „pädagogischen Auftrag“ zu sehen.

Gruber war damals nicht im Amt. Doch auch heute findet er die Beibehaltung den besseren Ansatz. „Einfacher wäre der Weg der Umbenennung in den 90er Jahren gewesen, weil er keine besondere Verpflichtung nach sich gezogen hätte“, so Gruber.

Wie der pädagogische Auftrag funktioniert, hat die Feier zum 100. Geburtstag des Wissenschaftlers im März gezeigt. Die Schule veranstalte ein Symposium zu Wissenschaft und Ethik mit dem Titel „Was kostet der Mond?“ Auf dem Podium saßen ein Biograf des Wissenschaftlers und ein ehemaliger Mitarbeiter. „Ich fand es komisch, dass kein Zeitzeuge geladen war“, sagt Zapf. Sie lud im Auftrag des Frauenkreises selbst einen ein: David Salz, von Januar bis April 1945 Zwangsarbeiter in Mittelbau-Dora.

Der Direktor will den Namen behalten

Beim Schuljubiläum sprach der fast 84-Jährige vor Schülern in einer separaten Veranstaltung, nicht in der Diskussionsrunde zu Wissenschaft und Ethik. Die Schule habe eine „Verschiebung des Schwerpunkts“ gefürchtet, erklärt Zapf. Einige seiner Worte sind über die Schule hinaus bekannt geworden: „Tut alles, damit dieser Name verschwindet“, wurde Salz zitiert.

Für Direktor Gruber, der schriftlich Stellung nimmt, ändert der Aufruf nichts. Er ist überzeugt, der Name beeinflusse, im guten Sinne, das Programm: „Ob die Auseinandersetzung mit der Thematik an der Schule so intensiv geführt worden wäre, wie beispielsweise jetzt im Zusammenhang mit dem 100. Geburtstag geschehen, ist im Nachhinein natürlich schwer zu beantworten, aber zumindest fraglich.“

Jacoba Zapf, Sprecherin des Frauenkreises, und ihren Mitstreiterinnen, ist das nicht genug. Das Problem sieht sie nicht nur in der NS-Vergangenheit des Namenspatrons. „Dieser Mann hat sich sein Leben lang nicht verantwortlich gefühlt.“ Zapfs Wut richtet sich auf die Schule, aber ihr ist klar, dass die nicht viel tun kann. Formell muss der Kreistag Namensänderungen zustimmen. Doch Landrat Christian Knauer (CSU) verweist auf die erfolgte Debatte. Die Entscheidungshoheit liege bei der Schule. „Wenn es Wille der Schule ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass sich ein politisches Gremium dazu versteigt, den Namen zu behalten.“

Also hat Jacoba Zapf das Heft in die Hand genommen. Seit vergangener Woche steht eine Onlinepetition im Netz, die bereits mehr als 190 Unterzeichner hat. Um sich weitere Unterstützung zu holen, hat Zapf in der Realschule Rheinstetten angerufen. In dem Ort in Baden-Württemberg hat man sich 2007, nach 35 Jahren, gegen von Braun entschieden. „Erleichterung“ habe sich breitgemacht, ist dort zu hören, man könne „nur zu einer Namensänderung raten“.

Anmerkung der Redaktion: In diesen Text wurden Korrekturen eingefügt. In einer früheren Version hieß es, Jacoba Zapf sei eine Politikerin der Grünen. Außerdem hieß es, es sei unklar, ob Wernher von Braun vom Einsatz von Zwangsarbeitern für die Herstellung der V2-Raketen wusste.

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