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Erfreulicher Rückgang der InlandsflügeLieber Videocall als schmutzig im Himmel

Kommentar von

Gunnar Hinck

Die Zahl der Inlandsflüge in Deutschland geht drastisch zurück, ganz ohne Verbot. Es zeigt, dass höhere Abgaben auf das Fliegen Wirkung zeigen.

Blick auf das Rollfeld des Flughafens Köln/Bonn: Schnell von Köln nach Berlin für ein zweistündiges Meeting zu jetten, ist out Foto: Christoph Hardt/imago

E s gab eine Zeit, da haben viele Menschen in Deutschland etwas ziemlich Schmutziges getan: Sie sind inländisch mit einem Passagierjet geflogen. Von Düsseldorf nach Berlin oder, besonders absurd, als Zubringer von Leipzig nach Frankfurt am Main. Das war nicht nur für Geschäftsreisende normal.

Neue Zahlen geben Hoffnung: Das ökologisch fragwürdige Kuriosum namens Inlandsflug ist dabei, sich von allein zu verabschieden, und das ganz ohne Verbot. Nach neuen Zahlen des Luftfahrtverbands BDL wird derzeit nur noch 47 Prozent der Vor-Corona-Kapazität angeboten. Besonders drastisch ist das Platzangebot bei dezentralen Strecken abseits der Drehkreuze Frankfurt und München gefallen: Hier liegt das Niveau nur noch bei 17 Prozent.

Zwei Gründe gibt es: Die Luftverkehrsabgabe, die zuletzt von der Ampel-Regierung angehoben wurde, entfaltet eine Lenkungswirkung. Je kürzer ein Flug ist, desto mehr fällt die Abgabe proportional zu den Gesamtkosten eines Fluges ins Gewicht; es lohnt sich einfach nicht mehr für die Fluggesellschaften. Der zweite Grund, den auch der BDL angibt: Schnell von Köln nach Berlin für ein zweistündiges Meeting zu jetten, ist out. Pragmatismus statt Statusdenken („meine Firma bezahlt einen Flug für mich“) ist das neue Normal – man trifft sich per Videokonferenz.

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Klar jammern jetzt die Landräte und Bürgermeister, die ihre Regionalflughäfen wie Kassel, Paderborn oder Dresden bedroht sehen. Aber es kann nicht die Aufgabe von Politik sein, in einem relativ kleinen Land mit mehreren großen Flughäfen lokale Prestigeprojekte künstlich am Leben zu halten, die nie wirklich eine Perspektive hatten. Es stimmt auch nicht, dass Fliegen „zu teuer“ ist – im Gegenteil, endlich bilden die Abgaben in Summe wenigstens annähernd die tatsächlichen, eben auch ökologischen Kosten eines Fluges ab.

Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung die Luftverkehrsabgabe eigentlich wieder senken. Wegen des – jenseits des Sondervermögens – klammen Haushalts wird die Höhe aber erst mal nicht reduziert. Es ist stark zu hoffen, dass die Regierung pragmatisch bleibt und die Abgabe gar nicht mehr anrührt.

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ist Redakteur im taz-Ressort Meinung.
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5 Kommentare

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  • War es nicht Paderborn, wo die örtlichen Unternehmen jetzt extra eine virtuelle Fluggesellschaft gegründet haben, um den Zubringerverkehr nach München weiter zu gewährleisten? Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass gerade die betrieblich veranlassten Inlandsflüge schon immer auch zum guten Teil „Zubringerflüge“ waren, da unsere zum Glück nicht metropolenlastige Wirtschaft eben sehr exportorientiert arbeitet. Was man ohne Zweifel sofort streichen könnte, wären Wochenendtrips über den Wolken für Privatleute.

  • ...Geht doch!



    Das sind gute Nachrichten!



    Es zeigt sich, dass Technik eben auch umweltfreundlich sein kann.



    Bei allem Verständnis für menschlichen Kontakt, Telefonkonferenzen sind machbar, wie wir Alle, spätestens seit Corona, erlebt haben.



    Gut, dass sich dieser technische Fortschritt mittlerweile eingebürgert hat.



    Wirtschaftlich ist das allemal, denn schließlich wird nicht nur der Flug, sondern auch die Reisezeit eingespart.



    Der Einsatz von KI ist neuen Studien zufolge hingegen wenig zukunftsorientiert, da nicht nur zuviel Strom aufgewandt wird , sondern auch zuviel Energie, die Lügen, Halbwahrheiten und Fehlformulierungen menschlich gerade zu rücken.

  • Inlandsflug ist aber auch immer eine Frage der Perspektive. Im Südwesten der Republik werden die kurz hinter der Grenze liegenden Flughäfen Zürich oder Basel (Freiburger "Euroairport") auch stark von Deutschland aus genutzt, um Hamburg oder Berlin zu erreichen. Der Umstieg auf das Flugzeug ist leider wieder zunehmend notwendig, da die eigentlich gute Bahnverbindung auf diesen Strecken immer wieder unter den bekannten Bahnproblem massiv leidet.

  • Die Entwicklung ist gut. Aber ob die 15 Euro Abgabe das Zünglein an der Waage war? Die 15 Euro sind keine 10% eines Fluges von Kassel nach Sylt (zahlt man die Abgabe auch mit einem Privatflugzeug?) und noch viel weniger von Paderborn nach München. Viel mehr Inlandsflüge gibt es von den Regionalflughäfen nicht.



    Die Abgabe gilt auch für Mallorcaflüge (die im Billigsegment nicht teurer sind als die erwähnten Inlandsflüge) - und die sind nicht zurückgegangen. Es ist wohl wirklich die fehlende Nachfrage von den Geschäftsreisen.

    • Gunnar Hinck , Autor des Artikels,

      @fly:

      Hallo fly, das mit Mallorca stimmt nicht ganz - die Luftverkehrsabgabe ist eine Startgebühr, im Inland fällt sie bei Hin- und Rückflug also zwei Mal an, nach Mallorca und retour eben nur ein Mal. Deshalb sind Inlandsflüge mehr von der Abgabe betroffen. Viele Grüße aus der taz